Extrem: Die Macht des Willens (German Edition)
geschrieben. Was das Wichtigste dabei war? Der Beginn. Der erste Schritt, auf den unzählige weitere danach folgten.
Bei meinen Vorträgen fragen mich die Zuhörer häufig: „Wie kann man denn so etwas Extremes überhaupt machen?“ Meine Antwort lautet dann: „Indem man mit dem Normalen beginnt und sich dann Schritt für Schritt steigert.“ Ich konnte mir bis zum Jahr 1998 nicht vorstellen, jemals einen Marathon zu laufen. Das war für mich ganz weit weg. Marathon ist nur etwas für absolute Leistungssportler und Lauffreaks, dachte ich. Selbst ein Halbmarathon stellte in meinen Augen eine ungeheure Herausforderung dar. Dann habe ich angefangen und bin zum ersten Mal gelaufen. Fünf Kilometer am Stück. Diese Distanz laufen zu können, empfand ich zunächst als große Anstrengung. Als ehemaliger Fußballer tat ich mir mit solch einer „Langdistanz“ schwer. Doch ich schaffte es und machte anschließend den nächsten Schritt: zehn Kilometer. Auch davor hatte ich zunächst einen riesengroßen Respekt. Doch nachdem ich ein paar Mal diese Distanz erfolgreich bewältigt hatte, verlor ich auch davor die Angst. Im Jahr 1998 kam dann zum ersten Mal der konkrete Wunsch auf, am Halbmarathon in Karlsruhe teilzunehmen. Termin: 19. 9. 1999. Das erste läuferische Wettkampfziel in meinem Leben war damit gesteckt. Inspiriert und motiviert durch meinen Vater wollte ich unbedingt diese 21,1 Kilometer schaffen. Doch bisher war meine längste Strecke zehn Kilometer gewesen. Ich fing an zu trainieren und machte so die nächsten Schritte. Zusammen mit meinem Vater lief ich in der Woche drei bis viermal am Abend. Nach und nach steigerte ich mich in kleinen Schritten: 13 Kilometer, 15 Kilometer, 17 Kilometer … und schließlich den Halbmarathon. Ich weiß noch, wie glücklich und stolz ich war, endlich nach 1 Stunde und 38 Minuten das Ziel erreicht zu haben. Ich war platt und fertig mit der Welt, aber gleichzeitig begeistert, 21,1 Kilometer am Stück geschafft zu haben.
Ich habe also einfach begonnen, den ersten Schritt getan und mich dann in kleinen Schritten gesteigert. Das ist für mich der entscheidende Aspekt dabei: dass man sich einem großen Ziel nur mit kleinen Schritten nähert. Auf diese Weise lief ich ein halbes Jahr später meinen ersten Marathon an der Deutschen Weinstraße. Es war der 2. April 2000. In den vergangenen Monaten bin ich so viel gelaufen wie noch niemals zuvor in meinem Leben. Ich absolvierte mit vier bis fünf Trainingseinheiten in der Woche sechzig bis siebzig Kilometer. Auch vier Trainingsläufe über dreißig Kilometer waren dabei. Ich fühlte mich damit gut gerüstet für meinen ersten Marathon. Doch diesen lief ich, wie zu Beginn meines Buchs schon beschrieben, viel zu schnell. Ich ließ mich am Start von der Euphorie der anderen Läufer mitreißen und das rächte sich. Nach der Hälfte der Strecke schmerzten meine Oberschenkel schon und in meinen Waden bildeten sich die ersten Krämpfe. Ich musste immer wieder ins Gehtempo wechseln und teilweise stehen bleiben. Von den Weinbergen und der herrlichen Landschaft an der Deutschen Weinstraße nahm ich nichts mehr wahr. Jeder Kilometer, jeder Schritt schmerzte und der Lauf wollte kein Ende nehmen. Ich war wie erlöst, als ich nach 4 Stunden und 13 Minuten endlich das Ziel erreichte.
Ein gutes Jahr später wagte ich mich an den nächsten Schritt und lief meinen allerersten Ultramarathon: 100 Kilometer am Stück beim legendären Rennen in Biel. Ich trainierte dafür nicht viel anders als für einen Marathon. Zwei Trainingsläufe über die Marathondistanz stellten die längsten Einheiten dar. Am 8. Juni 2001 um 22:00 Uhr ertönte der Startschuss zu diesem für mich bisher längsten Lauf. Ich habe zuvor noch nie so gelitten wie bei diesem Rennen. Mein Magen rebellierte auf den ersten vierzig Kilometern. Immer wieder musste ich anhalten und verschwand hinter einem Busch. Doch meine Magen-Darm-Probleme wollten kein Ende nehmen. An einem Verpflegungspunkt nahm ich eine ganze Klopapierrolle mit, da meine Taschentücher längst ausgegangen waren. Die Nacht der Nächte, wie dieser Lauf auch genannt wird, hatte es in sich. Hinzu kam, dass es in dieser Nacht permanent regnete, was mich demoralisierte. Als wäre ich mit meinen körperlichen Problemen nicht schon genug bedient gewesen. Für die letzten 17 Kilometer benötigte ich fast fünf Stunden. Jeder einzelne Schritt war eine Qual für mich. Meine Oberschenkelmuskulatur war mittlerweile so hart
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