Fahr zur Hölle
dieselben Zweifel wie sie?«
»Das stand mir nicht zu.«
»Warum erzählen Sie mir das alles?«
»Rückblickend betrachtet, wird mir klar, dass die Ermittlungen Löcher hinterlassen haben, durch die ein Humvee hindurchpasst.«
»Weil Teile fehlen.«
Galimore nickte. »In diesem Sommer bat Cindi ihre Mutter, zu Hause die Schlösser auszutauschen. Ihr kleiner Bruder dachte, weil sie Angst vor Lovette hatte.«
»Was dachten Sie?«
»Ich dachte, der Grund war, dass sie vor irgendetwas Angst hatte. Als ich dem FBI das sagte, erhielt ich eine Abfuhr. Für mich stimmte da was nicht. Wenn man erfährt, dass ein vermisstes Kind Angst hatte, dann findet man doch heraus, warum.«
Ellen kam mit unserem Essen. Einen Augenblick lang waren wir mit Dressings und Gewürzen beschäftigt.
»Noch was anderes störte mich. Bei meinen ersten Recherchen stieß ich auf einen Kerl, der behauptete, er hätte Gamble und Lovette am Abend, als sie verschwanden, auf der Rennstrecke gesehen.«
»Grady Winge?«
Galimore schüttelte den Kopf. »Eugene Fries. Fries schwor, er hätte Gamble und Lovette um acht an diesem Abend Corn Dogs an einem Kiosk verkauft.«
»Winge behauptete, sie hätten die Rennstrecke um sechs verlassen.«
»Ja.«
»Befragte sonst noch jemand Fries?«
»Unsere Brüder vom FBI meinten, er wäre durchgeknallt und unzuverlässig.«
»Ist irgendjemand der Sache weiter nachgegangen?«
»Wir haben es versucht, aber inzwischen war Fries nicht mehr auffindbar. Und dann ging mein Leben den Bach runter. Ich wurde verhaftet, kam in den Knast, verlor meinen Job, meine Ehe ging in die Brüche.«
Galimore schob sich eine Gabel Salat in den Mund, kaute.
»Für lange Zeit war ich ein sehr verbitterter Mann. Hasste die Polizei, das FBI, meine Schlampe von Frau, das Leben im Allgemeinen. Die Gamble-Lovette-Akte war wie eine schwärende Wunde. Ich konnte nur weitermachen, wenn ich die Sache hinter mich brachte.«
»Ich bin verwirrt. Sie rollen den Fall jetzt noch einmal auf, weil Ihr Arbeitgeber über den Toten von der Deponie Bescheid wissen will? Oder weil Sie glauben, dass Cale Lovette das Opfer sein könnte?«
Galimore beugte sich vor und schaute mir tief in die Augen. »Mein Arbeitgeber ist mir scheißegal. Diese Wichser haben mich eingelocht, damit ich einen Fall nicht weiterverfolgen konnte, der mir wichtig war. Ich will wissen, wieso.«
»Verfolgte Rinaldi die Spuren weiter, nachdem Sie aus der Sondereinheit ausgeschieden waren?«
»Ich weiß es nicht.«
»Ist es möglich, dass Sie ein bisschen paranoid sind?«
»Wir reden vom verdammten FBI. Glauben Sie nicht, dass die, mit all ihren Ressourcen, den Fall hätten knacken können, wenn sie gewollt hätten?«
Dieser Gedanke war mir auch schon gekommen.
»Aber es ging nicht nur ums FBI und die Polizei.« Galimore deutete mit der Gabel auf seine Brust. »Ich war auch ein Teil des Problems.«
Ich ließ ihn weiterreden.
»Die Gambles waren Leute, die zwischen schlechten Alternativen gefangen waren. Entweder hatte ihre Tochter sich von ihnen abgewandt, oder ihr war etwas passiert. Zu Beginn der Ermittlungen riefen sie mich jeden Tag an. Nach einer Weile nahm ich gar nicht mehr ab. Ich bin nicht stolz darauf.«
»Ihr Interesse ist also ein zweifaches und eigennützig. Sie wollen Ihr Gewissen entlasten und Sie wollen’s den Bullen zeigen.«
»Da ist noch was. Anfang der Woche erhielt ich in meinem Büro einen Anruf. Die Stimme klang männlich, aber ich bin mir nicht ganz sicher. Sie war von irgendeiner Art Filter verzerrt.«
»Aha.«
»Ich erspare Ihnen die Kraftausdrücke. Unterm Strich ging es darum, dass der Anrufer mir drohte, mich zu ruinieren, indem er meine Vergangenheit publik mache, wenn ich die Finger nicht von der Gamble-Lovette-Sache lasse.«
»Und wie haben Sie reagiert?« Ich hielt meine Stimme neutral, um meine Skepsis zu verbergen.
»Gar nicht. Habe einfach aufgelegt.«
»Konnten Sie die Nummer zurückverfolgen?«
»Der Anruf kam von einem Wegwerfhandy.«
»Ihre Erklärung?«
»Die Leiche auf der Deponie. Die Geschichte in der Zeitung.«
Wieder ließ Galimore den Blick durchs Restaurant schweifen.
»Irgendjemand da draußen wird sehr, sehr nervös.«
17
»Was schlagen Sie vor?«
»Ich habe ein bisschen recherchiert. Fries war eine Weile verschwunden, tauchte aber vor fünf Jahren wieder auf und lebt jetzt außerhalb von Locust. Er ist jetzt in den Achtzigern, wahrscheinlich senil.«
Entrüstet über Galimores generelle Geringschätzung
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