Fahrstunde in den Tod (Emsland-Krimi) (German Edition)
und fasste verlegen
an seine Nase.
Winkler
und de Boer zogen gleichzeitig erstaunt die Augenbrauen hoch. Das mit der
Verjährung könnte knapp werden, wussten beide, auch im europäischen Ausland.
»Sie
müssen sich nicht selbst belasten, darüber belehre ich Sie hiermit. Wenn Sie
aussagen wollen, zeichnen wir weiter die Vernehmung auf. Haben Sie mich
verstanden?«, belehrte de Boer ihn und überprüfte das Aufnahmegerät. Es lief
die ganze Zeit.
»Ich
trage diese Geschichte seit damals mit mir herum, sie ist auch Ursache für
meinen Lebenswandel. Ich denke fast täglich daran und lebe seit 1999 in
ständiger Angst, dass mich jemand aus dem Weg räumen will.«
»Wer
will Sie aus dem Weg räumen?«, wollte Winkler wissen.
»Die
serbische Mafia sucht nach mir, da bin ich mir sicher.«
»Sie
haben selbst gesagt, dass es 24 Jahre her ist. Was hat sich denn damals genau
ereignet? Wie kommen Sie darauf, dass die serbische Mafia hinter Ihnen her ist?
Hatten Sie Kontakt mit ihr?«
»Kaffee
und Zigaretten möchte ich haben.«
Nachdem
er sich bedient und de Boer, der aktive Nichtraucher, den Aschenbecher entleert
hatte, sprudelte es förmlich aus ihm heraus.
»Gerd
und ich sind durch Zufall auf die Idee gekommen, Ersatzteile zu verkaufen.
Meistens verändern Zufälle das Leben, so auch unseres. Beim gemeinsamen Besuch
eines Autohändlers in Sarajevo, wir haben dort nach einem Anlasser für einen
Golf nachgefragt, sind wir mit einem Serben ins Gespräch gekommen. Er sprach
fließend Deutsch, weil er in Deutschland gelebt und gearbeitet hatte. Er fragte
uns, ob wir ihm spezielle Ersatzteile für den Mercedes 250 GD besorgen könnten.
Das haben wir sofort kategorisch ausgeschlossen. Er gab uns seine Visitenkarte
und sagte, wir könnten ihn jederzeit erreichen.« Reichert trank eine halbe
Tasse Kaffee und steckte sich die nächste Kippe an. Er blies den Qualm in
Richtung Decke und erzählte weiter.
»Kurze
Zeit später, so einen oder zwei Tage, standen Gerd und ich im Ersatzteillager
vor einem Regal mit Lichtmaschinen für den 250 GD. Es handelte sich um eine
Fehllieferung, anstatt einer lagen dort zehn herum. Kein Mensch außer uns beiden
wusste davon, wir schauten auf die Lichtmaschinen und sahen uns an.
Gleichzeitig kam uns der Gedanke, die zehn Teile zu verkaufen. Nach
Kontaktaufnahme mit dem Serben verscherbelten wir die Teile für tausend Dollar.
Das war unser erster Deal. Von da an lief die Sache so weiter. Gerd stellte
Mängel fest, die es nicht gab, und ich bestellte die Teile.«
»Und
das ist niemandem aufgefallen?«, mischte sich de Boer ein.
»Nein.
Die Lagerverwaltung gehörte zu meinen Nebenaufgaben. Da hat mir niemand
reingeredet.«
»Und
was hat das alles mit Totschlag zu tun?«
»Ungefähr
zwei Wochen vor Ende des Einsatzes im August 1999 hatten wir ein Treffen mit
dem Serben, außerhalb des Camps in einer Werkstatt, die in der Nähe eines
Waldes bei Sarajevo lag. Es gab Streitereien wegen der letzten Bezahlung. Die
Sache eskalierte und bei einem Handgemenge zwischen Gerd und dem Serben stürzte
der Serbe in eine Grube. Dabei muss er so ungünstig gestürzt sein, dass sein
Genick gebrochen ist. Wir haben ihn aus der Grube gezogen, ihn untersucht, er
war tot.«
»Und
weiter?«, fragte de Boer gespannt. Reichert war wieder aufgestanden und schritt
durch den Raum. Er rauchte während des Gehens und aschte auf den Boden.
Winkler
bemerkte das, sagte aber nichts. Er wollte den Mann jetzt nicht wegen der
Lappalie aus seinem Redefluss bringen.
»Wir
suchten in der Werkstatt nach Schaufeln, denn wir wollten ihn im Wald
vergraben. Die Kumpel des Serben wussten wohl von unseren Geschäftsbeziehungen
und hätten sofort Alarm geschlagen, wenn sie ihn tot gefunden hätten. Also
hatten wir beschlossen, ihn zu begraben. Bei der Suche fanden wir in der
Werkstatt einen Koffer mit amerikanischen Dollars. Vermutlich Geld aus
irgendwelchen krummen Geschäften. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Geld
ehrlich verdient war«, bemerkte er trocken und wollte vermutlich mit dieser
Bemerkung den Eindruck erwecken, dass es kein Verbrechen gewesen sei, es
einfach mitzunehmen.
»Wie
viel Geld war in dem Koffer?«, unterbrach Winkler ihn.
Reichert
zögerte mit der Antwort, setzte sich wieder an den Tisch und schenkte sich
Kaffee ein.
Was
würde wohl mit dem Mann passieren, fragte de Boer sich, wenn es – aus welchem Grund auch immer – plötzlich keinen Kaffee und Tabak mehr gäbe. Der
Mann war reif für eine
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