Fahrt zur Hölle
»Wie gut, dass die nicht wussten, was für einen Fang sie gemacht hatten.«
Aber Schöster hat gewusst, was er begleitete, dessen war sich Lüder sicher. Was hatte der Mann zu verbergen? Wer war er? Und was sollten die Waffen auf Zypern? Der geteilte Inselstaat war nicht als internationaler Waffenhandelsplatz bekannt. Und auf Zypern selbst hatte man kaum Verwendung für das Kriegsgerät. Es musste also für den Weitertransport bestimmt gewesen sein.
Zypern lag im östlichen Mittelmeer. Rundherum waren Staaten, die Kriegswaffen gut verwenden konnten. Oder waren die Empfänger gar keine Staaten, sondern Rebellen? Oder Terroristen? Erneut dachte Lüder an Schösters eigentümlichen Dialekt. Gehörte der Mann zum Absender? Oder arbeitete er mit dem Empfänger zusammen und hatte »die Ware« in Indien entgegengenommen, um sie zu begleiten? Offensichtlich hatte Schöster aber die Reise mit Rückendeckung der Reederei angetreten, die ihn unter dem Deckmantel, der Zahlmeister zu sein, an Bord geschmuggelt hatte.
»Wir müssen die Aktion abbrechen«, mahnte Wang Li. »Es wird dunkel. Und das geschieht in diesen Breitengraden sehr schnell.«
Sie verschlossen die Container wieder und kletterten aufs Deck hinab. Dort erstattete Wang Li dem Kapitän Bericht.
Syrjanow war entsetzt.
»Man hat uns und die ›Holstenexpress‹ für einen illegalen Waffentransport missbraucht«, klagte er. »Wer steckt dahinter?«
»Das werden wir auch herausfinden«, versicherte ihm Lüder. »Die Waffen müssen wir beschlagnahmen. Sie dürfen auf keinen Fall in Limassol entladen werden. Haben Sie noch andere Ladung für Zypern?«
»Nein«, versicherte Syrjanow. »Erst wieder für Genua. Wie geplant.«
»Gut«, sagte Lüder. »Ich werde die deutschen Behörden informieren, die sich mit den Italienern in Verbindung setzen werden, um die Kriegswaffen zu beschlagnahmen. Sie müssen sich um nichts kümmern. Ich werde alles veranlassen.«
Dann verabschiedete er sich von Kapitän Syrjanow und seiner Mannschaft und wünschte ihm gute Fahrt. Selbst Wadym Kalynytschenko reichte Lüder die Hand und schüttelte sie lang und kräftig.
»Es waren besondere Umstände«, sagte der Erste Offizier. »Wenn es manchmal zu Meinungsverschiedenheiten gekommen ist, so war das nie persönlich gemeint.«
Zu Lüders Überraschung umarmte ihn Piepstengel so heftig, dass Lüder meinte, die Rippen würden brechen. Dann hieb ihm der Maschinist auf die Schulter.
»Mann inne Tünn. Das war ’nen Ding, diese Reise und die Piraten. Und irgendwann müssen wir diesen verflixten somalischen Staub wegspülen. Das geht am besten bei uns in Barmbek. Da gibt’s noch richtige zünftige Eckkneipen. Überhaupt, so viel ich schon vonne Welt gesehen hab – in mein Barmbek is am schönsten. Sag mal«, fiel Piepstengel zum Schluss noch ein. »Wie heißt du eigentlich richtig?«
»Das frage ich mich manchmal auch«, erwiderte Lüder lachend.
Dann kehrte er mit den Marinesoldaten in ihrem Speedboot zur Fregatte »Sachsen« zurück.
»In Abstimmung mit dem Führungskommando der Bundeswehr und dem Commander Task Force werden wir die ›Holstenexpress‹ noch ein Stück begleiten und dann Dschibuti anlaufen. Dort werden wir Sie an Land setzen.« Fregattenkapitän Beckers sah auf die Uhr. »Das wird in etwa vierundzwanzig Stunden sein. Man hat mich informiert, dass sich in Dschibuti die deutsche Botschaft um Sie kümmern und auch die Passfragen klären wird.«
Irgendjemand im Hintergrund bemühte sich um seine Heimkehr. Die noch junge diplomatische Vertretung in dem kleinen Land am Übergang vom Golf von Aden in das Rote Meer verfügte über keine Konsularabteilung. Diese Aufgaben wurden von der deutschen Vertretung in Addis Abeba mit wahrgenommen.
»Ist geklärt, was mit Hans-Günter Schöster geschehen soll?«, fragte Lüder.
»Darüber wird noch entschieden«, sagte der Kommandant. »Vorerst bleibt er in Gewahrsam auf der ›Sachsen‹.«
»Sie werden ihn nicht in Dschibuti an Land setzen?«
»Nein!« Mehr sagte Beckers nicht.
»Ihre Mission ist aber noch nicht abgeschlossen.«
»Richtig. Wir kehren anschließend in das Einsatzgebiet zurück.«
»Und Schöster geht mit auf Piratenfang?« Lüder mochte es nicht glauben.
»Ich warte auf weitere Anweisungen«, wich der Fregattenkapitän aus.
Lüder ließ sich noch einmal mit Rukcza verbinden und berichtete von seinem Fund auf dem Containerschiff.
»Da liegt kein Irrtum vor?«
»Ich sende Ihnen ein paar Bilder, die ich auf
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