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Fahrt zur Hölle

Fahrt zur Hölle

Titel: Fahrt zur Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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Raum war klein. Es blieb kaum Platz für einen Schreibtisch und das Sitzmöbel. Lediglich eine Wand war mit einem Regal versehen, in dem sich Akten, Papierberge, aber auch Gesetzestexte stapelten. Iversen gewahrte Lüders Blick.
    »Das Geschäft wird nicht einfacher«, erklärte er. »Der Bund, vor allem aber Brüssel erfinden täglich neue Gesetze und Vorschriften. Wir ertrinken in Verordnungen, Meldungen, die wir abgeben müssen, und Nachweisen, die wir zu führen haben. Von den Bürokraten hat noch nie jemand einen Hafen, geschweige denn ein Schiff gesehen.«
    Als Bildschirmschoner lief die Flagge der Reederei. Iversen loggte sich ein. Dann suchte er auf der Oberfläche, fand den Menüpunkt und rief ihn auf. Lüder beobachtete den Prokuristen, wie er zögerte, überlegte, leise »Ich glaube – hier« murmelte, ein Programm aufrief und feststellte, dass er sich geirrt hatte. Beim zweiten Versuch gelang es ihm, eine für Lüder unverständliche Liste von Daten über den Bildschirm rollen zu lassen.
    »Ich bin auf diesem Gebiet nicht firm«, entschuldigte sich Iversen. »Grundsätzlich weiß ich, was da passiert. Aber in der täglichen Anwendung … Das können die Mitarbeiter besser. Dies ist die Liste mit den Ident-Nummern der Container. Jeder der etwa fünfzehn Millionen, die um die Erde kreisen, kann identifiziert werden.«
    »Und der Inhalt?«, blieb Lüder hartnäckig.
    Iversen wechselte das Programm, pickte eine Containernummer heraus und erklärte: »Dieser hier enthält Jeans aus Malaysia.« Er sah Lüder an. »Wussten Sie, dass in einen Container bis zu zehntausend Jeans hineinpassen? Oder zwanzigtausend originalverpackte Uhren? Wenn Sie bedenken, dass die Fracht eines Containers von Asien nach Europa bei ungefähr tausend Euro liegt, entfällt auf die einzelne Hose ein Anteil von zehn Cent. Wenn man das weiß, versteht man, weshalb die Ware rund um den Globus geschickt wird, weshalb es trotz des Transports günstiger ist, in fernen Ländern produzieren zu lassen, Lebensmittel aus den entlegensten Winkeln der Erde nach Deutschland zu bringen. Auf der anderen Seite steigen die Preise für Energie, aber auch Hafen- und Kanalgebühren ins Unermessliche. Da ist es ein harter Überlebenskampf, wenn man in diesem Haifischbecken überleben will. Wer sich das einmal genauer ansieht, versteht, weshalb die Schiffe ausgeflaggt werden und unter einer Billigflagge laufen.«
    Dann erfüllte er Lüders Bitte und zog die Daten auf eine SD -Karte, die Lüder mitnahm. Er würde sie durch Experten auswerten lassen.
    »Ich benötige noch die Liste mit den Namen der Besatzung«, sagte Lüder.
    Iversen rief ein anderes Programm auf, betätigte eine Reihe von Befehlen, und schließlich sprang der Drucker an.
    »Bitte«, sagte der Prokurist und reichte Lüder das Papier.
    »Porfirij Syrjanow«, las Lüder laut vor. »Der Kapitän.«
    »Russe«, ergänzte Iversen. »Ein erfahrener und zuverlässiger Mann. Er fährt schon seit elf Jahren für uns.«
    »Wadym Kalynytschenko.«
    »Stammt aus der Ukraine. Ist seit zwei Jahren bei uns. Könnte auch als Kapitän fahren, ist aber Erster Offizier auf der ›Holstenexpress‹.«
    »Gibt es da keine Reibereien?«
    Iversen schüttelte den Kopf. »Kapitän Syrjanow ist vierundfünfzig. Sein Ruhestand ist absehbar. Dann kommt Kalynytschenkos Zeit. Er weiß, dass er an der Reihe ist, schließlich kennt er das Schiff.«
    »Wang Li. Chinese?«
    Der Prokurist nickte. »Ja. Unser Zweiter Offizier.«
    Lüder übersprang die weiteren Namen, die asiatisch klangen. Er stoppte bei »Hans-Günter Schöster«.
    »Deutscher. Das ist der Zahlmeister.«
    In der nächsten Zeile fand er einen weiteren deutschen Namen.
    »Und wer ist Hein Piepstengel?«
    Iversen druckste ein wenig herum. »Lustiger Name, was? Der heißt wirklich so. Ein Hamburger Original. Der ist schon ewig bei unserer Reederei. Man könnte fast meinen, er wäre das Maskottchen.«
    »Und welche Funktion übt er an Bord aus?«
    »Hein ist für alles unter Deck zuständig. Er duzt jede Schraube im Maschinenraum. Ich kenne niemanden, der so mit der Schiffsbetriebstechnik vertraut ist wie Piepstengel.«
    »Der technische Offizier.«
    »Nun ja«, zögerte Iversen. »Ohne Hein geht nichts, obwohl er kein studierter Ingenieur ist.«
    »Dürfen Sie denn jemandem die Technik anvertrauen, der kein Patent hat?«
    »In Antigua sieht man das nicht so eng. Und in der Praxis gibt es keinen besseren Mann als Piepstengel.«
    Bevor Lüder die Rückfahrt antrat,

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