Falaysia - Fremde Welt: Band 1 (German Edition)
vielleicht die Realität war, wenn sie keinen Nervenzusammenbruch erleiden wollte. Auf einen Traum, eine Art seltsames mystisches Spiel konnte sie sich einlassen. Sie musste nur die Regeln kennenlernen, anfangen sich zu orientieren und körperlich und geistig fit bleiben.
Gideon führte Jenna durch die engen Gassen, der immer noch sehr belebten Stadt. In die vielen Spelunken und Gasthäuser, die Jenna schon bei ihrer Ankunft bemerkt hatte, war jetzt erst Leben eingekehrt. Stimmengewirr, Lachen und Musik drang aus den geöffneten Fenstern und Jenna hatte beinahe Lust sich ebenfalls ins Getümmel zu stürzen und sich mit einem netten Gesöff wieder fröhlich zu stimmen. Doch ihre Probleme waren zu groß, um eine so dämliche Idee in die Tat umzusetzen. Außerdem gab es da noch etwas anderes, was sie daran hinderte. Die Menschen, die sie im Laufe des Tages zu Gesicht bekommen hatte, hatten allesamt nicht gerade einen vertrauenerweckenden Eindruck auf sie gemacht. Sie war noch nie in ihrem Leben in einer Stadt gewesen, die so viele Verbrecher, Gauner und Wegelagerer beherbergt hatte. Hier gab es wohl kaum etwas, das mit rechten Dingen zuging.
Und dann diese gefährlich wild aussehenden Krieger, die sich überall herumtrieben… Riesig und bis an die Zähne bewaffnet, wirkten auch sie nicht gerade besonders vertrauenerweckend. Immer noch hatte Jenna die Gruppe von Kriegern vor Auge, die ihnen vor der Stadt begegnet war, hoch oben auf ihren temperamentvollen Pferden, ungepflegt, muskelbepackt, unzivilisiert und gefährlich. Beeindruckend. Gefährlich, aber beeindruckend. Die Menschen dieser Stadt handelten nach ihren Trieben und das machte sie zu unbeherrschten, unberechenbaren Wesen, allen voran diese Krieger. Andererseits machte gerade das sie auch wieder interessant.
Jenna beschloss trotzdem oder gerade deswegen möglichst wenig Kontakte in dieser Stadt zu knüpfen und so schnell wie möglich aus diesem Alptraum zu verschwinden.
Gideon hatte recht gehabt, was seine Behauptung betraf, dass es in der Nacht nicht viel gefährlicher sei durch die Straßen zu spazieren, als am Tage. Die Menschen nahmen jetzt noch weniger Notiz von ihnen als zuvor. Sie waren zu sehr damit beschäftigt sich ordentlich zu amüsieren. Und so kamen Jenna und Gideon völlig ohne Zwischenfälle an einem alten, baufälligen Haus an, das anscheinend das Ziel ihres Marsches war. Einige der Fensterläden waren abgerissen oder hingen nur noch an einem Nagel und die Holztür war schon so vermodert, dass es Jenna wunderte, dass sie nicht aus den Angeln brach, als Gideon anklopfte.
Es dauerte eine Weile, dann öffnete sich die Tür und eine alte Frau spähte hinaus. Sie nickte Gideon zu, als sie ihn erkannte. Dann sah sie Jenna an.
„Que vas ana?“ fragte sie mit einer Stimme, die große Ähnlichkeit mit dem Knarren der Tür hatte.
„Eine Verirrte“, raunte Gideon ihr zu.
Die Augen der Frau weiteten sich. Dann machte sie einen Schritt zur Seite. „Kommt herein! Eilt euch!“
Sie nahm Jenna am Arm, als sie nicht schnell genug reagierte und zog sie an sich vorbei. Gideon folgte ihr.
Es war dunkel im Inneren des Hauses, doch Jennas Augen gewöhnten sich rasch an das gedämpfte Licht. Der Raum, in dem sie sich befanden, war ähnlich spärlich eingerichtet wie die Hütte Gideons und Talas. Es gab einen Tisch, einen Hocker, einen nicht mehr ganz intakten Schaukelstuhl und ein Regal an der Wand, auf dem etliche Utensilien standen. In einer Ecke lag, auf Stroh gebettet, ein alter Hund. Er besaß nur noch ein Auge, mit dem er die Fremden misstrauisch beobachtete, und sein Fell war verdreckt und struppig. Im Kamin hing ein Topf, in dem ein Süppchen vor sich hin kochte.
„Die Krieger Nadirs sind in der Stadt“, erklärte die Alte ihre Eile und verriegelte die Tür mit einem schweren Holzbalken. „Und die sind derzeit nicht besonders gut auf Fremde zu sprechen, jetzt wo die Renon-Rebellen wieder Ärger machen.“
Gideon schien von der Nachricht etwas überrascht zu sein. „Gibt es wieder Kämpfe? Ich dachte, das Heer König Renons sei bei der letzten Schlacht völlig zerschlagen worden.“
„Nicht völlig“, wandte die Alte ein, „und es geht das Gerücht um, dass Renon dabei ist wieder aufzurüsten und neue Männer für den Kampf gegen Nadir anheuert. Es soll einige Überfälle auf Lager der Bakitarer gegeben haben und diese scheinen jetzt auf einem blutigen Rachefeldzug zu sein. Sie suchen nach den letzten Renon-Kriegern und vor allen
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