Falaysia - Fremde Welt - Band III: Piladoma (German Edition)
Toten gefunden habe. Leon war ihm nur unwillig gefolgt, nun aber dankbar für seine Hartnäckigkeit.
„Ich hätte das nie gesehen, wenn er Gero und mir nicht aus den Händen gerutscht wäre“, berichtete Uryo ihm nun aufgeregt. „Ich hab noch versucht ihn aufzufangen und nach seinen Haaren gegriffen und ihm versehentlich ein paar ausgerissen. Er merkt’s ja nicht mehr. Und dann dachte ich ‚Verflixt nochmal, das kenne ich doch irgendwoher‘. War mir aber nicht sicher und deswegen musste ich dich holen, weil du doch so lange in der Armee warst und Kontakt zu Renon und so hattest. Ich dachte, du weißt da bestimmt mehr und –“
„Uryo, stopp!“ unterbrach Leon ihn mit einer abschneidenden Geste. „Ich muss nachdenken!“
Der Mann hob defensiv die Hände und presste die Lippen zusammen. Leon atmete tief ein und blickte wieder auf den Toten hinab, direkt auf seinem freigelegten Nacken. Solange das Haar darüber gelegen hatte, hatte man die Tätowierung nicht sehen können. Irgendwann musste die Stelle in seinem Nacken geschoren worden sein, eigens um dieses Zeichen – eine Art Pfeil mit Drachenflügeln, der am oberen Ende in einen seltsam aussehenden Knoten überging – für immer in seiner Haut zu hinterlassen. Es war nicht dasselbe Zeichen, dass Leon bei dem geheimnisvollen Fremden, mit dem sich Sheza unterhalten hatte, entdeckt hatte, doch er war sich sicher, dass sie etwas miteinander zu tun hatten. Die Vermutung, dass der Zirkel der Magier wieder zum Leben erweckt worden war, schien immer mehr zu einer Tatsache zu werden und Leon fragte sich, wie viele Menschen in seiner Nähe bereits von den Magiern rekrutiert worden waren.
Leon packte die Schulter des Mannes und drehte ihn wieder herum. Sein Blick flog über sein graues Gesicht und dann den Rest seines Körpers hinab. Er runzelte die Stirn. Kein Blut. Keine ernsthafte Verletzung. Dafür zeigten sich an dem Mundwinkel des Toten Spuren von Erbrochenem und grünlichem Schaum. Der Mann war nicht im Kampf gefallen. Er hatte sich vergiftet und niemandem war das aufgefallen. Wieso hatte er das getan?
Leon erhob sich ganz langsam. Ihm fiel es schwer, seinen Blick von dem Mann abzuwenden, doch noch viel schwerer war es für ihn, die nächste wichtige Frage zu stellen.
„Wo liegt Tibalt?“ fragte er Uryo leise. Der Mann schien ein wenig überrascht, wies aber sofort auf einen der in helles Leinen eingewickelten Körper, die neben ihren bereits ausgehobenen Gräbern lagen. Leon biss fest die Zähne zusammen und bewegte sich zu dem Leichnam hinüber. Er hoffte, dass noch keiner von Foralts Familie hier war, denn er wollte seinen Freunden auf keinen Fall zusätzlichen Kummer bereiten. Bis jetzt hegte er ja nur eine Vermutung.
Sein Herz schlug sehr viel rascher, als er sich neben den Toten kniete und vorsichtig seinen Kopf auszuwickeln begann. Es tat weh, in das aschfahle Gesicht einer vertrauten Person zu blicken und er gab sein Bestes zu versuchen, jedwedes Gefühl auszuschalten und die Leiche ganz sachlich zu untersuchen. Zu seiner tiefen Erleichterung fand er bei ihm keine Anzeichen dafür, dass er sich ebenfalls vergiftet hatte. Weiter … er musste es jetzt wissen …
„Warte – ich helfe dir“, vernahm er Uryos Stimme neben sich, als sein erster Versuch den steifen und ziemlich schweren Korpus auf die Seite zu drehen, scheiterte. Gemeinsam gelang es ihnen schließlich. Leon strich das blutverkrustete Haar Tibalts zur Seite, legte somit ebenfalls seinen Nacken frei und gefror sofort in seiner Bewegung. Bedauerlicherweise hatte er mit seiner Annahme richtig gelegen. Auch Tibalt besaß eine Tätowierung, die bisher von seinem Haar gut verdeckt gewesen war. Allerdings hatte er dieses Zeichen schon einmal gesehen. Tibalt hatte zu derselben Gruppe gehört wie Shezas Kontaktperson. Sein Blick glitt tiefer. Ein großer Riss in Tibalts Hemd entblößte seinen Rücken und offenbarte so die tiefe Wunde, die ihn wohl das Leben gekostet hatte. Man hatte ihm mit einem Dolch in den Rücken gestochen. Der Schnitt war für ein Schwert zu klein und sauber.
Leon ließ den Leichnam los und starrte ihn fassungslos an, während Uryo ihn wieder hinlegte und sein Gesicht mit dem Tuch bedeckte.
„Großer Gott“, hauchte er nach ein paar Sekunden schockierten Schweigens, fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und schüttelte den Kopf. Das war alles zu viel für ihn.
„Was hat das alles zu bedeuten?“ wandte sich Uryo an ihn.
„Das weiß ich noch nicht
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