Falken: Roman (German Edition)
erwartet haben, so sie vielleicht doch. Es ist schwer für uns, weil die Leute hier sie mögen und ihr über die Bediensteten Nachrichten zukommen lassen. Es ist nicht zu verhindern. Sie signalisieren wohl über den Burggraben hinweg. Ich denke, sie weiß über den Großteil der Dinge Bescheid, die hier vorgehen, und darüber, wer auf der Straße vorbeikommt.«
Zwei Ladies, spanisch gekleidet und betagt, drücken sich gegen eine verputzte Wand. Sie sehen feindselig zu ihm herüber. Er verbeugt sich in ihre Richtung, und eine bemerkt in ihrer Muttersprache, dass er der Mann ist, der die Seele des Königs von England verkauft hat. Die Wand hinter ihnen ist, wie er sieht, mit einer mittlerweile verblichenen Szene aus dem Paradies bemalt: Adam und Eva gehen Hand in Hand zwischen Tieren einher, die so neu in der Schöpfung sind, dass sie ihre Namen noch nicht kennen. Ein kleiner Elefant mit großen Augen lugt scheu durchs Laub. Er hat noch nie einen Elefanten gesehen, hat aber immer gedacht, dass sie weit größer als ein Schlachtross wären. Vielleicht hatte der hier noch keine Zeit zu wachsen. Äste voller Früchte hängen über seinem Kopf.
»Nun, Sie wissen, wie es geht«, sagt Bedingfield. »Sie wohnt in diesem Raum und lässt sich von ihren Ladies, denen dort, über dem Feuer bekochen. Sie klopfen und gehen hinein, und wenn Sie Lady Katherine zu ihr sagen, fliegen Sie hinaus; sagen Sie Eure Hoheit, dürfen Sie bleiben. Also sage ich gar nichts. ›Sie‹ sage ich zu ihr. Als wäre sie ein Mädchen, das die Treppen schrubbt.«
Katherine sitzt beim Feuer, in ein Cape aus edlem Hermelinfell gehüllt. Das will der König zurück, wenn sie stirbt, denkt er. Sie blickt auf und streckt eine Hand aus, damit er sie küssen kann; widerwillig, aber wohl eher wegen der Kälte, so denkt er, als dass sie ihn nicht zur Kenntnis nehmen wolle. Ihre Haut ist gelblich, und es hängt ein unguter Geruch in der Luft, leicht nach Tierfell, nach abgestandenem Gemüsekochwasser und beißend säuerlich nach der Schüssel, mit der ein Mädchen davoneilt: gefüllt, wie er annimmt, mit dem ausgebrachten Inhalt des Witwenmagens. Wenn sie sich nachts krank fühlt, träumt sie vielleicht von den Gärten der Alhambra, in denen sie aufgewachsen ist: den mamornen Böden, dem Plätschern kristallklaren Wassers in Brunnen und Becken, den dahingleitenden weißen Schwanzfedern eines Pfaus und dem Duft von Zitronen. Ich hätte ihr eine Zitrone in meiner Satteltasche mitbringen können, denkt er.
Als lese sie seine Gedanken, spricht sie ihn auf Kastilisch an. »Master Cromwell, lassen Sie uns die leidige Mär beenden, dass Sie meine Sprache nicht sprechen.«
Er nickt. »Es war immer schwer, stumm dabeizustehen, wenn Ihre Zofen über mich geredet haben. ›Jesús, ist er nicht hässlich? Denkt ihr, er ist behaart wie Satan?‹«
»Meine Zofen haben das gesagt?« Katherine scheint amüsiert. Sie nimmt ihre Hand zurück und entzieht sie seinem Blick. »Sie sind lange schon weg, diese lebhaften Mädchen. Nur alte Frauen sind geblieben, und eine Handvoll amtlich anerkannter Verräter.«
»Madam, die Menschen um Sie herum lieben Sie.«
»Sie spitzeln mich aus. Alle meine Worte. Selbst meine Gebete belauschen sie. Nun, Master.« Sie hebt das Gesicht ins Licht. »Was denken Sie, wie ich aussehe? Was werden Sie sagen, wenn der König Sie fragt? Ich habe mich seit vielen Monaten nicht mehr im Spiegel gesehen.« Sie klopft auf ihre Fellmütze und zieht sich die Zipfel über die Ohren, lacht. »Der König pflegte mich einen Engel zu nennen. Eine Blume hat er mich genannt. Mein erster Sohn wurde tief im Winter geboren, ganz England war schneebedeckt. Es seien keine Blumen zu bekommen, dachte ich. Aber Henry schenkte mir sechs Dutzend Rosen aus der feinsten weißen Seide. ›So weiß wie deine Hand, Geliebte‹, sagte er und küsste meine Fingerspitzen.« Ein Zucken unter dem Hermelinfell zeigt ihm, wo ihre geballte Faust liegt. »Ich bewahre sie in einer Truhe auf, die Rosen. Wenigstens verblühen sie nicht. Ich verschenke sie an die, die mir Dienste erweisen.« Sie hält inne, ihre Lippen bewegen sich in einer stummen Anrufung: Gebeten für verlorene Seelen. »Sagen Sie, wie geht es Boleyns Tochter? Es heißt, sie betet viel zu ihrem reformierten Gott.«
»Sie hat in der Tat den Ruf von Frömmigkeit und genießt den Beifall der Gelehrten und Bischöfe.«
»Sie benutzen sie. So wie sie von ihr benutzt werden. Wären sie wahre Kirchenmänner, würden sie so
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