Fallen Angel 07 Tanz der Rose
verlorenen Familie nachtrauere, werde ich mir ins Gedächtnis rufen, daß mir dadurch furchtbare Tanten und betrunkene Cousins erspart bleiben. «
»Sollten Sie das jemals bedauern, könnte ich Ihnen jede Menge meiner Verwandten ausleihen«, grinste Stephen. »Mir fehlt es in dieser Hinsicht an nichts - weder an alten Damen, die Brandy in ihren Tee schütten und dann wie Seeleute fluchen, noch an entfernten Vettern, die ihr ganzes Vermögen beim Glücksspiel verloren haben und um Almosen betteln, noch an frommen Heuchlern, die von Tugenden reden und heimlich ihren Lastern frönen. Ich kann Ihnen alles bieten. «
»Es würde mir nicht im Traume einfallen, Sie solcher Schätze zu berauben«, erwiderte Rosalind großzügig. »Hoffentlich haben Sie auch einige sympathische Angehörige. «
»Ein paar... Meine ältere Schwester ist ziemlich streng, aber sie hat ein gutes Herz, und ihre Kinder sind entzückend. « Stephen holte ein Stück Zucker aus seiner Tasche und hielt es Jupiter hin, der die Gabe dankbar in Empfang nahm. »Außerdem habe ich einen jüngeren Bruder, der Soldat gewesen ist. Früher kamen wir nicht allzu gut miteinander aus, aber seit er die Armee verlassen hat, sind wir gute Freunde geworden. Wahrscheinlich sind wir beide im Laufe der Jahre ein bißchen weiser geworden. «
Rosalind fiel auf, daß er keine Ehefrau erwähnte, aber das bedeutete nicht, daß er ledig war. Vielleicht hatte er sich nur mit seiner Frau gestritten und ritt deshalb allein in England herum. Sein Familienstand ging sie jedenfalls nichts an. »Nachdem Jupiter jetzt zufrieden ist, sollten wir vielleicht nachschauen, was die Truppe macht. «
Stephen war einverstanden und bot ihr seinen Arm, sobald sie den Stall verlassen hatten. Während sie gemächlich die Hauptstraße von Redminster entlanggingen, genoß Rosalind die eifersüchtigen Blicke anderer Frauen, die sie sichtlich um ihren gutaussehenden Kavalier beneideten. Sie genoß es auch, Stephens muskulösen Unterarm unter ihrer Hand zu spüren. Sich energisch ins Gedächtnis rufend, daß dieser gemeinsame Spaziergang nicht das geringste zu bedeuten hatte, griff sie den Gesprächsfaden wieder auf. »Sind Sie und Ihr Bruder sich sehr ähnlich? «
»Nur äußerlich - Michael lebt viel intensiver«, erwiderte Stephen nachdenklich. »Obwohl er seinen Abschied genommen und geheiratet hat, wird er seinen >Tausend-Meter-Blick< wohl niemals ablegen. Er behält seine Umgebung ständig scharf im Auge und hält Ausschau nach möglichen Gefahren. Wahrscheinlich hat er nur dank dieser Fähigkeit so viele Kriege überlebt. «
»Ein >Tausend-Meter-Blick<«, wiederholte Rosalind. »Das werde ich mir merken. Ein Schauspieler, der einen Krieger verkörpern muß, könnte Nutzen daraus ziehen. «
»Liegt es in der Natur einer Schauspielerin, alles um sich herum zu beobachten, um zu wissen, wie man eine Rolle am überzeugendsten spielt? «
Sie lachte. »Ich bin keine Schauspielerin. Ich springe einfach überall ein, wo gerade Not am Mann ist, und weil ich ziemlich groß bin, kann ich sogar Hosenrollen übernehmen, aber das wahre Talent besitzt Jessica. Meine eigentliche Aufgabe besteht darin, hinter den Kulissen für Ordnung zu sorgen, mich um Bühnenbilder, Kostüme, Textbücher und alles andere zu kümmern. «
»Ist die Truppe das ganze Jahr über unterwegs? «
Sie schüttelte den Kopf. »Nicht ganz. In den kältesten Wintermonaten beziehen wir Quartier in Birmingham und treten nur in der näheren Umgebung auf, aber sobald es Frühling wird, machen wir uns wieder auf den Weg und spielen in Scheunen und auf Höfen, in seltenen Glücksfällen auch in Sälen wie hier im Royal George. « Sie deutete auf den vor ihnen liegenden Gasthof.
»Für mich hört sich das verdammt unbequem an«, gab Stephen ehrlich zu. »Schweifen Sie frei nach Lust und Laune durchs ganze Land? «
»Nein, wir haben eine feste Route durch das westliche Mittelengland, wo wir jeden Ort kennen und wo die Leute uns sehnsüchtig erwarten. « Sie führte ihn in den Innenhof des Royal George und zuckte mit den Schultern. »Wanderbühnen genießen nun einmal kein hohes Ansehen. Am wichtigsten sind natürlich die großen Londoner Theater, gefolgt von den relativ bekannten Provinztheatern von Bath und York. Truppen wie die unsere besuchen Kleinstädte, deren Einwohner sich über jede Abwechslung freuen. «
»Aber Ihre Eltern sind ungewöhnlich begabt! Sie hätten doch bestimmt in einem angesehenen Theater Karriere machen
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