Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 3 - Der Palast der verlorenen Traeume
zwischen ihnen war. Wenn sie ihre Vorbehalte zu hart aussprach, zerstörte sie vielleicht jede Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft mit diesem hübschen jungen Echsenmann. Also zuckte sie nur die Achseln, löffelte sich den Rest vom Eintopf in den Mund und umging die Streitfrage mit einem unverbindlichen »Kann sein«.
»Du änderst deine Meinung, wenn du sie erst besser kennst.« Er hob den Kopf und schnupperte erneut. »Aber du hast recht. Sie kommen.«
»Sie?«
»Arryl und Medwen müssen wohl bei ihr sein. Der Geruch ist zu stark für einen einzelnen Unsterblichen.«
Gezeiten, das hat mir noch gefehlt. Eine ganze Rotte von Suzerain.
»Kann’s kaum erwarten«, brachte sie heraus und rang sich ein Lächeln ab. »Wenn ich schon mal da bin, sollte ich mich auch bei Arryl bedanken, dass sie mir das Leben gerettet hat.«
»Das wäre ein guter Anfang, Tiji. Bist du fertig mit Essen?«
Sie nickte und zeigte ihm ihre leere Schüssel.
»Dann lass uns eine Fackel nehmen und zum Anlieger gehen, um sie zu begrüßen.«
Tiji lächelte mit zusammengebissenen Zähnen. »Gute Idee.«
Die Nächte hier in den Feuchtgebieten waren laut und quirlig, wie Tiji festgestellt hatte, und diese Nacht war da keine Ausnahme. Die Dunkelheit war erfüllt vom Zirpen der Insekten. Millionen von nachtaktiven Geschöpfen gingen ihren Gepflogenheiten nach und waren offenkundig fest entschlossen, jedes intime Detail ihres Lebens mit allen anderen Insekten im Sumpf zu teilen.
Warum sonst, dachte Tiji, sollten sie sich so viel zu erzählen haben?
Sie hörten das Boot, bevor sie es sahen. Das Planschen der Amphiden, die das Boot durch den seichten Wasserweg zogen, durchdrang ganz schwach das Getöse der Insekten. Azquil hob die Fackel und schwenkte sie hin und her, um den Amphiden das Ausmachen des Anliegers zu erleichtern. Als das Boot sich dem Außenposten näherte, hatte Tiji Mühe, nicht zu würgen, so übel war der Gestank der Suzerain. Gezeiten, es war noch schlimmer als damals, als sie im Palast von Cycrane im Promeniersaal der Damen heimlich die Pläne der Kaiserin über die Fünf Reiche und ihrer Sippschaft belauscht hatte.
Auf dem Boot befanden sich drei Gestalten, aber in der Dunkelheit und auf diese Entfernung war es unmöglich zu sagen, um wen es sich handelte. Tiji fand, dass eine davon männlich aussah. Die anderen waren offenkundig Frauen.
Also lerne ich gleich die ganze Trinität auf einmal kennen. Declan und die Bruderschaft würden sonst was darum geben, zu erfahren, was ich jetzt weiß …
Sie wollte diesen Wesen, die sie sowohl instinktiv als auch professionell verabscheute, nicht zu nahe kommen. Darum hielt sie sich ein Stück abseits, als Azquil das Boot festmachen half und Grußworte mit den Amphiden austauschte, bevor sie flussaufwärts zu ihren Heimstätten weiterschwammen. Tiji konnte einfach nicht verstehen, warum Azquil die Trinität so schätzte und verehrte. Eines war jedenfalls sicher: Keine Macht im Universum, Gezeitenmagie eingeschlossen, würde sie dazu bringen, einen Suzerain zu mögen oder ihm zu vertrauen.
Man begrüßte sich, anscheinend wurde jemand vorgestellt. Dann wandten sich die Ankömmlinge in Richtung Außenposten. Tiji sah ihnen misstrauisch entgegen. Ihr Argwohn verwandelte sich in freudiges Erstaunen, als sie erkannte, dass die große Frau, die nur einen Sklavenschurz und ein behelfsmäßig um ihre Brust geknüpftes Tuch anhatte, Arkady Desean war – und der Mann, der einen Schritt hinter ihr ging, war …
»Declan!«
Tiji flog ihm förmlich entgegen, bereit, sich in seine Arme zu werfen. Sie hatte ihm so viel zu erzählen … von ihrer Reise hierher, ihren Neuigkeiten über den Unsterblichen Prinz, von den Chamäliden, die sie gefunden hatte, von den verflixten Suzerain …
Unvermittelt kam sie wenige Schritte vor ihm zum Stehen, als ihr einfiel, dass er von den Suzerain bereits wissen musste, da er gemeinsam mit ihnen angekommen war.
Und dann lokalisierte sie den üblen Gestank, den widerlichen Pesthauch der Unsterblichkeit, den ihre Ark-Nase nicht verleugnen konnte.
»Gezeiten …«, murmelte sie und trat einen Schritt zurück. »Nein …«
Azquil und die Suzerain sahen sie verwundert an. Arkady wirkte aus irgendeinem Grund erleichtert. Declan … Declan sah aus wie die Reue in Person.
»Kennst du dieses Kind?«, fragte Arryl.
»Das ist eine lange Geschichte«, sagte Declan, den Blick, auf Tiji gerichtet. Er streckte seine Hand nach ihr aus. »Tiji …«
»Fass mich nicht
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