Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 3 - Der Palast der verlorenen Traeume
wieder Arryl zu und lächelte vergnügt. »Ich hab’s. Er kann für Coron einspringen, da die Ratte ja nun mal tot ist. Sag ihnen, dies ist Ratz.« »Cayal …«
»Schon gut, Arryl«, sagte Declan. »Ich glaube, ich heiße lieber nach einer Ratte als nach gewissen anderen Unsterblichen.«
Cayal war der Seitenhieb nicht entgangen, aber er ging nicht darauf ein. Schwungvoll drehte er sich zum Haus, sodass sein langer Mantel sich bauschte – er hatte auch darauf bestanden, dass die anderen lange Mäntel trugen –, und tauchte in die Gezeiten.
Der Wind frischte mächtig auf, als sie sich dem Haus näherten. Die Söldner sahen verwirrt umher. Genau wie die Wachen auf dem Kai machten auch sie keine Anstalten, nach ihren Waffen zu greifen, da sie drei unbewaffnete Fremde nicht für eine Bedrohung hielten. Dennoch hatten sie wohl etwas an sich, das die Männer beunruhigte, denn die öffneten unaufgefordert ihre Reihen, um die Neuankömmlinge hindurchzulassen. Declan konnte nicht sagen, ob es daran lag, dass sie mit ihren wallenden Mänteln und Arryls loderndem Stab so beeindruckend aussahen, oder ob die Söldner einfach daran gewöhnt waren, sich jedem zu beugen, der aussah, als hätte er das Kommando.
Als sie Arkady endlich fanden, mussten sie feststellen, dass sie vor einem senestrischen Mann und einer Frau auf den Knien lag. Die beiden standen mit dem Rücken zu den Neuankömmlingen und hatten sie augenscheinlich bis jetzt verhört.
»Sie ist noch am Leben«, bemerkte Arryl, und es klang ein wenig überrascht.
»Hab dir doch gesagt, dass wir es rechtzeitig schaffen«, gab Cayal leise zurück.
In diesem Augenblick sah Arkady die Unsterblichen die Straße entlangkommen. Sie straffte sich sichtbar und blickte ihre Häscher an. »Ihr wärt gut beraten, jetzt niederzuknien!«, rief sie laut genug, dass die Unsterblichen sie hörten. Declan vermutete, dass sie brüllte, um über den unnatürlichen Wind hinweg deutlich vernommen zu werden. »Denn nun werdet Ihr ein paar von Euren Göttern kennen lernen.«
Der Mann und die Frau drehten sich um, als die Söldner gerade Platz machten. Declan fragte sich unwillkürlich, was für einen Anblick wohl diese improvisierte Trinität bot, die mit dem letzten Rot des Sonnenuntergangs im Rücken genau auf sie zukam. Der brennende Stab, den Arryl trug, loderte viel zu hell für ein natürliches Feuer. Hier kam die Zauberin der Gezeiten, flankiert von zwei gefährlich aussehenden großen Männern, und die langen Mäntel bauschten sich theatralisch in Cayals magisch verursachtem Wind … Declan hatte keine Ahnung, wo die Mäntel eigentlich herkamen – wer besaß denn hier draußen in der verdammten Hitze überhaupt einen langen Mantel? Er mutmaßte jedenfalls, dass ihr Auftritt eindrucksvoll genug war, um noch die zynischsten Ungläubigen zu beeindrucken.
Arkady lächelte ihnen entgegen und sah mächtig erleichtert aus. Dann versiegte die Brise mit einem Mal, und in der plötzlichen Windstille trat Arryl nach vorn.
»Lasst sie frei!«, befahl sie und wies auf Arkady und eine verwundete rotbraune Felide, die neben ihr am Boden lag. Die dröhnende Resonanz ihrer Worte war wohl ein erprobter Zauberin-der-Gezeiten-Effekt, jedenfalls erinnerte es nicht im Entferntesten an ihren normalen Tonfall im Außenposten.
Die beiden Söldner, die Arkady festhielten, reagierten instinktiv auf die Befehlsgewalt ihrer Stimme und folgten der Aufforderung ohne jeden Verzug. Allerdings machte niemand Anstalten, die Felide zu befreien, die nur wenige Schritte entfernt in Ketten lag.
Der Mann, der das Kommando hatte, fing sich als Erster. Er war über den Mangel an Widerstand bei seinen Männern sichtlich ungehalten. »Ich bin Ulag Pardura«, sagte er scharf und schob seine Schwester hinter sich, »aus dem Hause Pardura, und ich vertrete hier die Interessen des Hauses Medura. Ich weiß nicht, wer Ihr seid, aber dies ist eine Angelegenheit der Handelsgesellschaft. Ihr habt hier nichts verloren.«
»Ich bin Arryl, die Zauberin der Gezeiten.«
»Das interessiert mich nicht, und wenn Ihr der Fürst der Askese persönlich wärt«, entgegnete der Mann unbeeindruckt. »Das hier geht Euch nichts an.«
Arkady stand auf, reckte sich und rieb ihre blau gequetschten Arme. »Sie ist es wirklich, wisst Ihr. Ihr solltet lieber vorsichtig sein.«
Olegra fuhr herum. Jetzt, da ihre Sklavin aufrecht dastand, war sie plötzlich gezwungen, zu Arkady aufzusehen. »Schweig, du Hure!« An die Wachen gewandt, die Arkady
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