Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 3 - Der Palast der verlorenen Traeume
eure kleine Freundin das Ufer abschreitet und die Nutzlosigkeit des Unterfangens erörtert, auf das Ableben eines Unsterblichen zu setzen, ganz gleich wie unmoralisch oder taktlos er ist, könnt ihr beide zur Abwechslung etwas Nützliches tun und das Sumpffieber für uns auslöschen.«
Cayal schüttelte den Kopf, doch er wusste, dass er in der Falle saß. Hawkes würde genau das tun, schon um ihm eins auszuwischen, also blieb ihm nichts anderes übrig, als mitzumachen. Zudem konnten zwei Gezeitenfürsten viel mehr ausrichten als einer, insbesondere wenn der eine so wenig Ahnung vom Gezeitenschwimmen hatte wie Mawkes. Je schneller sie es hinter sich brachten, desto eher konnten sie schließlich aufbrechen.
Und wenn das erledigt war, konnten sie nach ihrer guten Tat zur Glättung der Wogen vielleicht auch hoffen, dass sich Arkady hinlänglich beruhigt hatte, um Hawkes’ Entschuldigung anzunehmen.
Und dann, dann konnte Cayal mit dem Beistand eines weiteren Gezeitenfürsten nach Jelidien aufbrechen, um endlich in die offenen Arme der Vergessenheit zu sinken.
64
»Sie sind weg.«
Ambria saß nähend am Küchentisch und blickte beim Sprechen nicht auf. Arkady war nicht sicher, woher Ambria wusste, dass sie da war, aber es schien die Unsterbliche weder zu überraschen, noch störte es sie offenbar, dass Arkady triefnass war. Draußen regnete es, die Tropfen prasselten auf das Grasdach, und träge rollte Donner in der Ferne. Arkady war bis auf die Haut durchweicht, aber der Regen war warm, so dass ihr nicht sonderlich kalt war. Es fühlte sich sogar ziemlich angemessen an – das Wetter entsprach voll und ganz ihrer Stimmung.
Es hatte noch einen anderen Vorteil. Wenn man von einem Wolkenbruch durchnässt war, konnte man Tränen nicht von Regentropfen unterscheiden.
»Ich sah sie mit Tiji und Azquil in einem Boot aufbrechen, kurz bevor der Regen anfing«, sagte Arkady und nahm der Unsterblichen gegenüber Platz. Ob Ambria sich wohl beschweren würde, dass sie ihren Küchenboden volltropfte? »Wisst Ihr, wie lange sie weg sein werden?«
Ambria schüttelte den Kopf. »Nicht genau. Könnte gut einen Monat dauern, wenn sie alle Küstendörfer abklappern. Du hast also jede Menge Zeit, um dich abzusetzen.«
Arkady starrte auf Ambria und fragte sich, woher die Unsterbliche wusste, was sie dachte. Sie wüsste nicht, dass Telepathie eine Eigenschaft der Unsterblichen war. Andererseits hatte Ambria vielleicht gar keine Ahnung, was Arkady dachte, und warf sie einfach nur hinaus. Der Außenposten war ihr Heim, und Arkady war nicht ausdrücklich zum Bleiben eingeladen worden.
»Denkt Ihr, dass ich gehen sollte?«, fragte sie um den heißen Brei herum.
Ambria zuckte die Achseln. »Deine Entscheidung, schätze ich. Wenn es um mich ginge … na ja, ich wüsste schon, was ich täte, aber ich habe schließlich auch den Vorteil einiger tausend Jahre Erfahrung darin, mich mit Burschen wie Cayal und seiner Sorte herumzuschlagen. Vielleicht magst du ja schmerzhafte Erfahrungen.«
Arkady lächelte dünn. »Ich denke, was meine Irrwege betrifft, habe ich einiges begriffen, Mylady.«
Ambria biss das Ende des Fadens ab, stach die Nadel durch einen Zipfel ihrer Tunika, um sie aus dem Weg zu haben, und glättete den Saum des Gewandes, an dem sie nähte, bevor sie wieder sprach. »Dann hast du zwei Möglichkeiten, soweit ich das sehe. Du kannst hierbleiben, mir für den nächsten Monat oder so auf die Nerven gehen, und wenn Cayal und sein Freund zurück sind, mit ihnen nach Jelidien gehen und Lukys treffen. In dem Fall kannst du dich vielleicht mit dem Gedanken trösten, wenn sie sich schließlich um dich prügeln – was sie unweigerlich tun werden –, muss das nicht zwangsläufig in ein Weltenende münden, bei dem die ganze Zivilisation verwüstet wird. Vorausgesetzt natürlich, es geschieht schnell genug, und die kosmische Flut ist noch nicht auf dem höchsten Stand, wenn sie übereinander herfallen.«
»Und meine andere Möglichkeit?«
»Verschwinde. Jetzt. Solange du noch kannst.«
»Und wohin soll ich gehen?«
»Wo immer du hinwillst, denke ich.« Die Unsterbliche musterte sie für einen Augenblick. »Du scheinst mir von der einfallsreichen Sorte zu sein. Es gibt da draußen eine ganze Welt, in der man untertauchen kann, Arkady. Vertrau mir, ich hab das oft genug getan, um Bescheid zu wissen.«
Aber wolltest du dabei vor einem Geliebten flüchten? Und hat dein Herz genauso geblutet?, fragte sich Arkady im Stillen. »Ihr
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