Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 4 - Der Kristall des Chaos
ganz dunkel an so was erinnern.«
»Die sind vermutlich längst zerstört«, rief Cayal rasch. »Oder sie stehen unter Wasser. Es ist bestimmt ein paar Tausend Jahre her, dass irgendwer hier war. Ich klettere mal runter und schau mich um.« Die Erleichterung, als er anbot, anstelle der anderen die unteren Stockwerke zu durchsuchen, stand Arkady so sehr ins Gesicht geschrieben, dass sich sein Verdacht erhärtete. »Ihr kommt besser mit mir, Euer künftige Hoheit«, wies er Arkady in schroffem Ton an, hauptsächlich um Elyssa einzulullen. »Ich möchte Euch im Auge behalten, bis wir entschieden haben, was mit Euch geschieht.«
Arkady gehorchte widerspruchslos und folgte ihm in den Tempel. Er schob sie zielstrebig zu der Treppe, die in die unteren Gewölbe führte, und stieß sie gröber als nötig vor sich her, solange Elyssa ihnen nachsah.
Als er den Durchgang erreichte, der keineswegs verfallen war, sondern vielmehr behelfsmäßig von einem Ledervorhang geschützt wurde, wurde sein Verdacht, dass hier etwas vor sich ging, zur absoluten Gewissheit. Arkady hatte in den paar Tagen, seit sie dem Krieg entkommen und hier ans Ufer gestolpert war, wohl kaum eine Ledermatte angefertigt.
Cayal zog den Vorhang zur Seite und zog den Kopf ein, um sich nicht an dem Felssturz zu stoßen. Er zog Arkady hinter sich her bis zum Treppenabsatz. Hier drinnen war es dunkel, und es roch nach Hund, Rauch und gekochtem Essen. Er ließ den Vorhang an seinen Platz zurückfallen, damit sie außerhalb von Elyssas und Kentravyons Sichtweite waren. Dann drückte er Arkady in der Dunkelheit an die Wand und küsste sie.
Für einen Augenblick erwiderte sie seinen Kuss, fast als habe sie vergessen, dass sie schlecht auf ihn zu sprechen war. Doch dann brach sie ab und stieß ihn ungeduldig zurück.
»Gezeiten, Cayal, was hast du hier zu suchen?«, fragte sie scharf. »Und mit denen?« Arkady wischte sich den Mund ab, als wolle sie seinen Geschmack loswerden.
»Dasselbe könnte ich dich fragen«, sagte er und strich ihr das Haar aus dem zerkratzten und zerschundenen Gesicht. Ihre Augen glänzten in der Dunkelheit. Er konnte an nichts anderes mehr denken, als dass er sie genauso sehr begehrte, wie Elyssa ihn abstieß.
Gezeiten, je eher ich sterbe, desto eher kann ich aufhören, mich ständig in genau diese Art von Schwierigkeiten zu bringen.
»Was versteckst du da unten, was die anderen nicht sehen sollen?«
Sie starrte ihn an und fragte sich zweifellos, ob sie ihm trauen konnte. »Du musst mir versprechen, kein Sterbenswort zu sagen.«
»Worüber?«
»Sag ich dir erst, wenn du’s versprichst.«
»Also gut. Ich verspreche es.«
»Schwöre.«
»Gezeiten, Arkady, was verlangst du von mir?«, fragte er und überlegte, ob er wohl mit einem weiteren Kuss bei ihr durchkäme. »Sollen wir in die Hände spucken und unseren Pakt mit einem markigen Handschlag besiegeln wie echte Kerle?«
Sie stieß ihn zurück. »Es ist wichtig, Cayal. Wenn Elyssa herausbekommt, wer hier noch ist, wird sie sie töten.«
Jetzt wurde Cayal neugierig. »Wer ist denn hier noch?«
Als sie sich weigerte zu antworten, fügte er ungeduldig hinzu: »Du hast mein Wort, Arkady. Dein schreckliches Geheimnis ist bei mir gut aufgehoben.«
Argwöhnisch musterte Arkady ihn. Schließlich nickte sie. »Komm mit, ich zeig es dir.«
Cayal folgte ihr die zerfallenen Stufen hinab in einen Raum, der dafür, dass er sich in einer verlassenen Ruine befand, recht gut ausgestattet war. Eine gemachte Bettstatt, mit ein paar Fellen belegt, befand sich in einer Ecke. Eine ansehnliche Feuerstelle glühte rot in der Dunkelheit. Jede Menge Hausrat stapelte sich daneben, und es gab eine behelfsmäßige Barrikade vor dem Treppenabsatz zum nächsten tiefer gelegenen Stockwerk. Zur Linken hockten die »Wer-hier-nochs«, die Arkady so verzweifelt vor Entdeckung zu schützen suchte. Eine Caniden-Familie. Ein junges Weibchen mit drei Welpen. Sie kauerten ängstlich um ein weiteres Lager, auf dem bäuchlings ein Körper lag, vermutlich der Erzeuger. Und ein verwundeter Erzeuger obendrein. Cayal konnte seine Entzündungen quer durch den Raum riechen.
»Diese ganze Geheimniskrämerei wegen einer verfilzten Gemang- Familie?«, bemerkte er und fragte sich, was so Besonderes an diesen Caniden sein sollte, dass Arkady ein solches Gewese um sie machte.
»Na großartig!«, knurrte das Weibchen Arkady an und zog ihre Welpen zu sich, während sie Cayal anstarrte. »Das ist Eure Vorstellung von uns
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