Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 4 - Der Kristall des Chaos
zurückgebracht hatte. Bevor sie entdeckt hatte, dass ihr Vater immer noch am Leben war. Bevor ihr Vater aus Gründen, die Arkady immer noch nicht ganz klar waren, versucht hatte, sich umzubringen, aber vermutlich vor allem aus Feigheit. Bevor Clyden Bell gestorben war. Vor der Schlacht. Bevor sie ihrem Vater den Rücken gekehrt und bewiesen hatte, dass auch sie ein Feigling war, indem sie ihn auf dem Eis zum Sterben zurückließ. Bevor sie über Boots und die Welpen gestolpert war. Bevor sie versucht hatte, Warlock zu töten.
Es kam ihr allmählich so vor, als hätte es in den letzten paar Monaten keinen Augenblick gegeben, in dem sie nicht entweder selbst in Gefahr war oder andere in Gefahr brachte oder Entscheidungen traf, die für alle, die ihr lieb und teuer waren, katastrophale Folgen haben konnten.
Und dass jetzt auf einmal Cayal hier auftauchte – Arkady hatte es aufgegeben, Erklärungen dafür zu suchen, warum ihr Leben so verwoben mit dem Schicksal des unsterblichen Prinzen war. Sie hatte immer nur getan, was ihr zum jeweiligen Zeitpunkt richtig erschien. Und doch führte irgendwie immer alles zu Cayal zurück. Was immer sie auch tat, wie sehr sie auch versucht hatte, ihm zu entkommen, landeten sie doch immer wieder am gleichen Ort.
Cayal starrte sie ungläubig an. »Du weißt, wo der Kristall des Chaos ist?«
»Hilf Warlock«, sagte sie zu ihm. »Ich sage kein Wort mehr, bis du ihn nicht gerettet hast.«
Ob ihre Drohung etwas bewirken würde, wusste Arkady nicht. Aber sie würde garantiert nichts mehr fruchten, wenn Cayal merkte, dass der Kristall des Chaos keine zehn Fuß entfernt von ihm lag, nachlässig unter die Felle getreten, um ihn aus der Sichtweite der Canidenwelpen zu halten, die ihn die letzten paar Tage als Gummiknochen benutzt hatten.
Zumindest nahm Arkady an, dass der seltsame leuchtende Quarzschädel, den die Welpen hinter der eingestürzten Wand im Untergeschoss gefunden hatten, der magische Kristall war, den Kentravyon suchte.
Wie viele leuchtende Zauberkristalle kann die Bruderschaft des Tarot hier schließlich schon versteckt haben?
Cayal starrte sie argwöhnisch an. »Woher weiß ich, dass du dein Wort hältst?«
»Sollen wir in die Hände spucken und unseren Pakt mit einem markigen Handschlag besiegeln wie echte Kerle?«
Er ließ sich die Sache einen Augenblick durch den Kopf gehen, dann stieß er einen leisen Fluch aus und kniete sich neben Warlock auf den Boden. Er legte dem sterbenden Caniden die Hand auf den Bauch, direkt auf die Wunde, die Arkady ihm so voreilig zugefügt hatte. Boots wich vor ihm zurück und zog ihre Kleinen an sich.
Cayal schien nach den Gezeiten zu greifen. Er wirkte überrascht und angestrengt, als fiele es ihm hier schwer, was bestimmt auf die räumliche Nähe des Kristalls zurückzufuhren war, dachte Arkady. Wenig später stieß Warlock ein qualvolles Jaulen aus, sein Körper wurde von einem Krampf geschüttelt. Dann lag er still, und nur noch am leichten Heben und Senken seines Brustkorbs war zu erkennen, dass er noch am Leben war.
Cayal stand auf, wischte sich die Hände an den Beinkleidern ab und drehte sich zu Arkady um. »So. Fertig. Wo ist er? Ich weiß, dass er hier irgendwo ist.«
Boots kroch auf allen vieren zu Warlock und zog die Verbände zur Seite. Verblüfft sah sie zu Arkady auf. »Die Wunde ist fort. Spurlos verschwunden.«
»Natürlich ist sie das«, sagte Cayal über die Schulter, etwas gekrankt, dass Boots seine Kräfte anzweifelte. Er richtete seinen irritierenden Blick auf Arkady. »Wo ist der Kristall?«
»Erst musst du ihnen helfen, hier wegzukommen.«
»Wir hatten ausgemacht, dass ich ihn heile, Arkady, und dann gibst du mir den Kristall.«
»Dass du ihn heilst und ihnen hilfst, hier wegzukommen. Das sind meine Bedingungen. Kannst du Elyssa und Kentravyon so lange ablenken?«
»Schon möglich«, bemerkte eine barsche Frauenstimme vom Treppenabsatz her. »Was du dich lieber fragen solltest, meine Liebe, ist, warum er für so eine billige kleine Schlampe wie dich seine eigenen Leute verraten sollte.«
Über Arkady schlug eine tosende Welle der Verzweiflung zusammen. Einen Augenblick lang schloss sie die Augen und fragte sich, wie sie nur jemals hatte denken können, dass sie clever genug war, Warlock und seine Familie vor den Unsterblichen zu retten. Bisher waren all ihre diesbezüglichen Bemühungen katastrophal danebengegangen.
Sie sah auf. Gerade kam Elyssa gefolgt von Kentravyon langsam die Treppe hinunter und
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