Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 4 - Der Kristall des Chaos
nahm die ganze Szene in sich auf – Boots, Warlock, die Welpen und Cayal. Sie hatte etwas von einer Mutter, die ihre Kinder soeben bei etwas sehr, sehr Ungezogenem ertappt hatte.
Kentravyon dagegen nahm gar keine Notiz von den Crasii, er sah sich in dem dunklen Schlupfwinkel aufmerksam um. So nah am Kristall des Chaos konnte er seine Präsenz wohl deutlich spüren, und das war alles, was ihn interessierte.
»Bedeutet dir diese Frau etwas, Cayal?«
»Natürlich nicht«, antwortete er wie aus der Pistole geschossen.
»Dann dürfte es dir ja nichts ausmachen, wenn ich sie tote.«
»Bitte, nur zu.«
Arkady starrte Cayal entsetzt an. » Was?«
Elyssa lächelte und wandte sich zu Arkady um. »Du klingst ja so überrascht, meine Liebe. Hattest du etwa gedacht, dass du ihm etwas bedeutest?«
»Cayal?« Arkady konnte nicht glauben, dass er einfach dastehen und zusehen konnte, wie Elyssa sie ermordete, aber offenbar hatte er genau das im Sinn. Und er gab ihr keinerlei Hinweis darauf, wie sie reagieren sollte.
»Ich glaube, du kennst sie besser, als du zugibst«, sagte Elyssa mit einem missbilligenden Stirnrunzeln zu Cayal. »Gibt es da vielleicht etwas, was ich wissen sollte?«
»Ich finde sie schon sehr begehrenswert«, erwiderte Cayal achselzuckend. »Gezeiten, ich bin auch bloß ein Mann. Aber es ist nichts Emotionales. Bring sie ruhig um, wenn du willst.« Er verschränkte die Arme vor der Brust, ganz nonchalantes Desinteresse. »Aber frag vorher besser noch mal Kentravyon.«
»Warum?«
»Weil sie weiß, wo der Kristall des Chaos ist.«
»Das sagt sie doch nur, um ihren Hals zu retten.«
»Nun, wie du meinst, meine Liebe. Kentravyon, willst du da drüben weiter Zeit verschwenden?«, rief er über die Schulter. »Oder machen wir’s uns lieber einfach und fragen die Person, die das verdammte Ding versteckt hält, wo es ist?«
Kentravyon, der in den dunklen Ecken und Winkeln der unterirdischen Kammer herumgestochert hatte, sah auf und starrte Arkady an. »Ha! Hab ich’s nicht gesagt, dass sie es weiß?«
Hinter Cayal erwachte Warlock mit einem Stöhnen aus der Bewusstlosigkeit. Arkady betete stumm, dass er so geistesgegenwärtig war, keine weitere Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Im Augenblick war Elyssa völlig auf sie konzentriert, vielleicht hatte sie noch gar nicht bemerkt, dass ihre Sklaven und ihre Welpen auch hier in der Ruine waren. Seltsamerweise waren die sonst so ausgelassenen Welpen in Anwesenheit all der Unsterblichen ungewöhnlich gedämpft.
Kentravyon näherte sich Arkady, sein massiver Körper verstellte ihr die Sicht auf Cayal, Elyssa und die Crasii, und es kostete sie all ihre Kraft, nicht vor ihm zurückzuzucken. »Ihr müsst sie gehen lassen!«
Der wahnsinnige Gezeitenfürst blieb stehen und starrte sie erstaunt an. »Was?«
»Ich sage euch, wo er ist, aber dafür müsst ihr die anderen gehen lassen.«
»Welche anderen?«
»Die Crasii. Lasst sie gehen, und ich sage euch, wo er ist.«
»Die gehen nirgendwo hin«, verkündete Elyssa rundweg. »Die gehören mir, und ich werde ihnen ihr dreckiges Ark-Fell über die Knochen ziehen und ihr Fleisch an ihre eigenen Jungen verfüttern.«
Von wegen Elyssa hat die Arks nicht bemerkt.
»Reizend«, hörte Arkady Cayal hinter Kentravyon murmeln, aber sie konnte ihn nicht sehen, weil der große Gezeitenfürst ihr immer noch die Sicht verstellte.
»Gezeiten, jetzt mach schon und töte sie, Kentravyon«, sagte Elyssa ungeduldig und drehte sich zu den Caniden um. »Dann nehme ich mir die Arks vor, wir finden den Stein, und dann nichts wie raus hier.«
»Wir können sie nicht alle töten«, widersprach Kentravyon, der Arkady unverwandt ansah. Sie hielt seinem Blick tapfer stand, aber es kostete sie all ihren Mut, keinen Schritt zurückzuweichen. Cayal tat nichts. Offenbar hatte er vor, die Dinge einfach laufen zu lassen, und würde keinen Finger krumm machen, um sie oder die Crasii zu retten.
»Warum nicht?«, fragte Elyssa.
»Wir brauchen einen von ihnen, um den Kristall des Chaos zu tragen.«
»Den lassen wir doch nicht von einem dreckigen Sterblichen anfassen!«, protestierte sie.
»Darum geht es nicht. Der Kristall des Chaos bündelt die Gezeiten. Er wirkt sich auf jeden aus, der mit den Gezeiten verbunden ist, und je enger die Verbindung, desto mehr Ärger macht er. Solange du nicht genug massives Gold zur Hand hast, um ihn vollständig damit zu überziehen, wirst du ihn nicht länger als ein paar Minuten halten können, ohne dass er
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