Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 4 - Der Kristall des Chaos
hast recht. Bring dich in Sicherheit. Ich breche durch und gehe rein.«
»Um was zu tun?«
»Was immer nötig ist, um die Sache zu beenden«, sagte Hawkes etwas ungeduldig. »Gezeiten, Warlock, kommen dir jetzt auf einmal Zweifel, oder was?«
Wir haben den Willen, zu tun, was immer nötig ist, hatte Boots im Verborgenen Tal zu ihm gesagt, damit so viele Unsterbliche wie möglich in diesem Spalt umkommen, wenn sie ihn öffnen. Und wenn Amyrantha dann wirklich untergeht?
Er erinnerte sich daran, wie ihre Augen in der Dunkelheit geglänzt hatten. Stell dir eine Zukunft vor, in der deine eigenen Kinder dazu verdammt sind, dich an die Suzerain zu verraten, Warlock, und dann sag mir, dass der Weltuntergang dir nicht lieber ist.
Warlock blinzelte die Erinnerung fort und sah Hawkes in die Augen. »Ich habe keine Zweifel, Meisterspion. Ich weiß ganz genau, warum ich hier bin. Ich komme mit Euch.«
»Dann lass es uns zu Ende bringen«, sagte Hawkes und hob das Brecheisen. »Geh in Deckung.«
Warlock folgte der Aufforderung und duckte sich hinter den Trümmerhaufen, den sie aus der Wand gehackt hatten. Declan rammte das Brecheisen noch zweimal ins Eis, und die Wand teilte sich.
Aus der kleinen Öffnung platzte eine höllische Hitzewelle, füllte den Vorraum mit einem grellen roten Licht und schmolz einen Großteil der Trümmer fort, die sie aus der Wand gehackt hatten. Die Kraft der Hitzewelle schleuderte Hawkes gegen die Treppe hinter ihnen, und er landete dort mit einem Krachen, das sich scheußlich nach einem brechenden Rückgrat anhörte.
Der Boden schwankte noch stärker. Hawkes schrie auf vor Qual. Wenn sein Rücken gebrochen war, heilte er jetzt wieder, und das war extrem schmerzhaft.
Ohne sich um Hawkes zu kümmern – der war schließlich unsterblich und würde sich schon wieder erholen –, kam Warlock taumelnd auf die Füße und schaffte es, das rutschige Eis zu der Öffnung hinaufzukraxeln und in die Kammer zu spähen. Einen Augenblick später war Hawkes an seiner Seite, unversehrt. Zusammen sahen sie durch die Öffnung in den wirbelnden höllischen Albtraum, der in der Eishöhle losgebrochen war. Die Luft in dem Gewölbe war ein tosender roter Hurrikan, wie Blut, das einen Abfluss hinunterwirbelt.
Es war schwer, Einzelheiten zu erkennen. Mehrere Gestalten standen in gleichmäßigem Abstand in der Kammer verteilt. Bei dem großen Sockel im Mittelpunkt befanden sich noch mehr Leute, die Warlock nicht auf Anhieb erkannte. Einer – ein nackter Mann – lag am Fuß dieses Altars, entweder bewusstlos oder tot. Neben ihm auf dem Boden lag zusammengekrümmt eine Frau, und hinter dem Altar stand mit weit ausgebreiteten Armen ein weißhaariger Mann. Das musste wohl der legendäre Lukys sein.
Dann entdeckte Warlock eine weitere Gestalt, die im Schatten des Altars kauerte. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er schwören können, dass es eine Chamälide war.
Einen Augenblick lang waren sowohl der Gezeitenfürst als auch der Canide zu überwältigt von dem Anblick, um zu reagieren, aber dann bewegte sich etwas auf dem wuchtigen Altar in der Raummitte. Dort lag eine Frau, deren Körper sich so wild aufbäumte, dass es von hier aus deutlich zu erkennen war, und die jetzt in solcher Qual aufbrüllte, dass ihre Schreie Warlock in die Seele schnitten.
Neben ihm erstarrte Hawkes.
»Gezeiten«, stieß er hervor. »Das ist Arkady.«
6o
Noch ehe Warlock ihn aufhalten konnte, rutschte Hawkes das Eis hinunter und rannte quer durch die Kammer. Mit einem gemurmelten Fluch setzte Warlock ihm nach. Es konnte einfach nichts Gutes bringen, sich so planlos mitten in diesen Mahlstrom zu stürzen, um das grausige Geschehen zu durchbrechen.
Warlock konnte die Gezeiten nicht spüren – zumindest nicht die Gezeitenenergie. Aber er konnte sie sehen – oder vielmehr ihre höllische Manifestation, die das riesige kreisrunde Gewölbe mit diesem unheimlichen, wirbelnden roten Licht füllte. Und sie jagte ihm Angst und Schrecken ein.
Declan Hawkes erreichte den Altar vor Warlock und zerrte Arkady herunter. Da erst bemerkte Warlock, dass auch Elyssa hier war, sie lag am Boden und starrte ausdruckslos zur Decke, offenbar nahm sie nicht wahr, was um sie herum vorging.
Direkt vor Lukys lag noch eine bewusstlose Frau auf dem Altar und daneben eine tote Ratte. Der unsterbliche Prinz lag auf dem Boden neben dem Altar auf der Seite, nackt und offenbar tot, aber noch immer hielt er den leuchtenden roten Schädel fest, der in
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