Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 4 - Der Kristall des Chaos
Intrigen der geheimen Bruderschaft des Tarot. Dieser Mann da, der jetzt keine zwanzig Fuß von seinem Versteck entfernt auf der Lichtung stand und offenbar zur anderen Seite übergelaufen war, hatte ihn rekrutiert, um erst bei Jaxyn und dann bei Elyssa zu spionieren. Er hatte seine Familie in Gefahr gebracht und nichts getan, um den Aufstieg der Suzerain aufzuhalten. Irgendwo nördlich der Stadt hockten seine Gefährtin und seine Welpen allein und schutzlos in der Fremde, während er hier herumsaß – und sie nicht etwa vor ihren Feinden rettete, sondern denen auch noch half.
Und wenn er jetzt aufstand und sich vor Cayal oder Declan Hawkes blicken ließ, wäre es sofort aus mit ihm, denn Elyssa würde ihn auf der Stelle töten, sobald einer von ihnen zufällig oder absichtlich verlauten ließ, dass ihr Lieblingscrasii ein Ark war.
Aber jetzt, wo Cayal hier war, erkannte Warlock, war Elyssa wohl zumindest für kurze Zeit noch hinlänglich abgelenkt.
Mehr Ermutigung brauchte Warlock nicht. Er wartete nicht länger, um den Rest ihrer Pläne zu hören, sondern wandte sich mit unendlicher Vorsicht um und kroch durch das schneebedeckte Unterholz davon, fort von der Lichtung, fort von den Unsterblichen, denen er nicht länger erlauben würde, sein Leben zu beherrschen.
Das Gefühl der Freiheit, das sich bei seiner Flucht allmählich in ihm ausbreitete, war noch überwältigender als damals, als die Fürstin von Lebec ihn begnadigte und er die düsteren Mauern des Kerkers von Lebec verlassen konnte.
25
Stellan mochte sich gar nicht vorstellen, wie viele Feliden – von denen er vermutlich etliche selbst aufgezogen hatte – in den Feuersbrünsten umgekommen waren, mit denen das große Blutvergießen zwischen Caelum und Glaeba begonnen hatte.
Er hatte sich die Schlacht vom hohen Balkon des Promeniersaals im Palast von Cycrane angesehen, zumindest bis kurz nachdem die Feuerwände hochschössen. Irgendwann hatte ihn das Geschrei so vieler sterbender Feliden dort weg und hier herunter getrieben. Nur weg von Syrolee und ihrer mörderischen Schadenfreude, von Engarhods trunkener Gleichgültigkeit und der unerklärlichen Apathie von Jilna, der Königin von Caelum. Nyah hatte zwar unermüdlich betont, wie alt sie schon war und dass sie als Thronerbin an der Verteidigung ihres Landes beteiligt sein sollte, doch dann hatte sie nur kurz zugesehen und war bald in ihre Gemächer geflüchtet, weil ihr der Anblick des Blutbads unerträglich wurde.
Stellans Gewissensnöte wurden noch verschlimmert durch die Kunde, dass Arkady und ihr Vater dort draußen bei Jaxyn auf dem Eis waren. Der glaebische Parlamentär, der am Morgen die förmliche Aufforderung zur Kapitulation überbracht hatte, bestand ausdrücklich darauf, diese Botschaft dem ehemaligen Fürsten von Lebec zu überbringen. Stellan blieb wenig Zeit sich zu fragen, wie Arkady reagiert haben mochte, als sie entdeckte, dass er sie all die Jahre über den Tod ihres Vaters belogen hatte. Das war wohl noch eine weitere unverzeihliche Sünde, sinnierte er, in einem Leben voller unverzeihlicher Sünden. Jedenfalls konnte sich Stellan unschwer vorstellen, mit welch hämischer Freude Jaxyn die Forderung an seinen ehemaligen Liebhaber aufgesetzt hatte: Wenn er nicht kapitulierte und Caelum unverzüglich und bedingungslos an Glaeba übergab, würde Arkady hingerichtet werden.
Tryan hatte den Parlamentär natürlich ausgelacht und ihm erklärt, Jaxyn könne gern hinrichten, wen immer er wollte. In diesem Land war Stellan Desean nur Gast. Er besaß gar nicht die Autorität, im Namen Caelums zu kapitulieren, selbst wenn er das gewollt hätte.
Glücklicherweise war Stellan bei diesem Abtausch nicht zugegen gewesen. Er war über die Maßen erleichtert, dass ihm die Antwort erspart geblieben war. Ihm war nur allzu bewusst, dass es hier um den glaebischen Thron ging und persönliche Sentimentalitäten keine Rolle spielen durften. Dass er die Entscheidung, Jaxyns Ultimatum zu ignorieren, nicht selbst hatte treffen müssen, machte es ihm etwas leichter, damit zu leben. Doch selbst wenn er die Chance gehabt hätte – er hätte nicht anders entschieden.
Bei der Schlacht selbst hatte er natürlich kein Mitspracherecht -dafür war seine Position in Caelum denn doch zu zweifelhaft. Aber seine Taktik, die glaebischen Streitkräfte aufzuspalten, hatte sich als entsetzlich wirksam erwiesen. Wie er von vornherein angenommen hatte, war das aufs Eis geleitete Erdpech unentdeckt geblieben. Jaxyn
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