Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 4 - Der Kristall des Chaos
bereiten. Und das müssten wir verdammt schnell bewerkstelligen, bevor Jaxyn mitkriegt, was wir vorhaben.«
»Fürchtet Ihr denn, dass er hier Spione hat?« Stellan fragte sich beunruhigt, ob Tryan womöglich über Arks wie Warlock Bescheid wusste.
Aber bloße Sterbliche schienen dem Gezeitenfürsten gar keine Sorgen zu bereiten. Er schüttelte den Kopf. »Er kann uns in den Gezeiten spüren. Ich schätze, der einzige Grund, warum er sich bisher damit begnügt, seine Feliden wiederzubeleben, ist, weil er spürt, dass Elyssa gerade nicht hier bei mir ist. Also muss er vorerst nicht damit rechnen, dass wir unsere Kräfte gegen ihn vereinigen.«
Stellan war verwirrt. »Also Ihr kontrolliert die Gezeiten, aber eure Macht kompensiert sich wechselseitig? Wozu soll das gut sein?«
Tryan zuckte die Schultern. »Ich verstehe ja Eure Enttäuschung, Euer Gnaden, aber glaubt mir: Solange wir Jaxyn nicht kalt erwischen, hat es absolut keinen Zweck, die geballte Macht der Gezeiten einzusetzen, außer man will Herrscher über einen Friedhof sein, nachdem die Schlacht geschlagen ist. Offensichtlich wisst Ihr das eine oder andere über uns, aber Ihr müsst auch verstehen, dass unsere Macht elementar arbeitet. Ich kann nicht mit Gezeitenmagie die Anzahl unserer Streitkräfte vergrößern oder bessere Waffen aus dem Nichts zaubern. Aber ich könnte mit Leichtigkeit einen Wind erzeugen, der Jaxyns Truppen zurück nach Glaeba pustet. So ein Wind würde wahrscheinlich unsere Bevölkerung vernichten und zudem Cycrane dem Erdboden gleichmachen und dazu irgendwo am anderen Ende der Welt eine Naturkatastrophe auslösen, zum Beispiel in Stevanien. Aber wenn Ihr unbedingt wollt, dass ich das ausprobiere …«
»Also könnt Ihr rein gar nichts tun«, fasste Stellan zusammen und wandte sich ab, um wieder ins Schlachtgewühl zu starren. Gezeiten, gab es etwas Schrecklicheres als das Wimmern einer sterbenden Felidefia – sie immer wieder aufs Neue sterben zu hören.
»Ich könnte allerhand tun«, sagte Tryan. »Nur eben nichts, was nicht alles noch schlimmer macht.«
»Und was folgt darauf? Wollt Ihr ihn einfach gewinnen lassen?«
Tryan wirkte ungerührt. »Noch hat er nicht gewonnen, Desean. Wir können immer noch unsere menschlichen Reserven ins Gefecht werfen. Und wenn wir die Schlacht erst in die Straßen verlagern, dürfte es Jaxyn um einiges schwerer haben.«
Tryans lässige Geringschätzung gegenüber dem Leben all der Feliden, die an diesem Tag schon mehrfach gestorben waren, erfüllte Stellan mit hilflosem Zorn. Hinzu kam ein lähmendes Gefühl der Sinnlosigkeit, das gar nichts mit dieser Schlacht zu tun hatte. Bei allem Entsetzen über den kranken Irrsinn, bereits tote Geschöpfe einfach immer weiterkämpfen zu lassen – selbst wenn sie wie durch ein Wunder den Tag überstehen sollten, Jaxyn hatte den Krieg schon bis nach Caelum getragen. Stellans Hauptsorge galt – und so war es immer gewesen – der Sicherheit des glaebischen Throns.
Aber wenn diese Gezeitenfürsten hier schon unfähig waren, Caelum vor Jaxyn zu schützen, wie sollten sie dann Stellan helfen können, Glaeba zurückzuerobern?
Er musste einen neuen Ansatzpunkt finden. »Euch ist doch klar, dass es Jaxyn war, der die Großen Seen zufrieren ließ?«, fragte er Tryan. »Wie kommt es, dass er das tun konnte, ohne dass Ihr ihn in den Gezeiten gespürt habt?«
»Er war wohl sehr, sehr vorsichtig«, sagte Tryan unbeteiligt. »Wir hätten es natürlich gemerkt, wenn die Seen über Nacht zugefroren wären, aber so war es ja nicht. Es hat sich über Wochen hingezogen. Wenn wirklich Jaxyn dafür verantwortlich ist, hat er die Gezeiten so geringfügig wie nur möglich beeinflusst, wohl damit alles hübsch natürlich wirkt.«
Jetzt wünschte Stellan, er hätte sich etwas eher dazu bekannt, über die Unsterblichen Bescheid zu wissen. Vielleicht hätte er dann noch Einfluss nehmen können. Er hätte Tryan und Elyssa warnen können, denn seine Kontakte in der Bruderschaft wussten, dass Jaxyn hinter der Kältewelle steckte. Vielleicht hätten sie dann noch rechtzeitig etwas tun können, um den Frost aufzuhalten. Oder das Eis zu schmelzen. Stellan wusste nicht genug über Gezeitenmagie, um zu spekulieren, was genau sie hätten tun können. Aber vermutlich hätte er etwas sagen sollen.
»Seid Ihr sicher, dass es keine Chance gibt, das Eis zu schmelzen?«, fragte er.
»Nicht so schnell«, sagte Tryan. »Und sofern man ihn nicht völlig überrumpelt, dürfte Jaxyn immer eine
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