Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 4 - Der Kristall des Chaos
misstrauisch geworden angesichts dieser plötzlichen, unerwarteten und unwillkommenen Ankunft von gleich drei Gezeitenfürsten auf ihrem Territorium. Was sie von Hawkes’ Geschichte hielt, behielt sie für sich, was Warlock nicht überraschte. Normalerweise hielt Elyssa sich immer sehr bedeckt, eine Fähigkeit, die im Umgang mit ihrer Mutter und dem Rest ihrer Familie unabdingbar war.
»Ich wollte dich sehen«, sagte Cayal aalglatt und lächelte sie mit seinem ganzen Charme an – und der war beträchtlich. Warlock kannte dieses Lächeln. Er hatte gesehen, wie Cayal es bei der Fürstin von Lebec eingesetzt hatte. Und das machte ihm Sorgen. Als Cayal Arkady Desean im Kerker von Lebec seine lange Lebensgeschichte erzählt hatte, hatte er stets nur mit Abneigung und Geringschätzung von der Unsterblichen Jungfrau gesprochen. Und doch war er jetzt hier und tat, als beglückte ihn ihre Anwesenheit über alle Maßen. »Brauchst du vielleicht Hilfe, um deinen Krieg zu gewinnen?«
Elyssa warf einen kurzen Blick über die Schulter zum See und zuckte die Schultern. »Wir kommen schon zurecht.«
»Bist du sicher?«, fragte Kentravyon. »Jaxyns Truppen sind eindeutig in der Überzahl.«
Elyssa zuckte die Schultern, als wäre das nichts, worum man sich Sorgen machen musste. »Die Gezeiten stehen schon hoch genug, um die Feliden wiederzubeleben. Wir kommen schon klar.«
»Ihr würdet es viel schneller schaffen, wenn dieser See wieder ein See wäre«, schlug Kentravyon mit einem Zwinkern vor, bei dem Elyssa die Stirn runzelte.
»Ihr bietet mir an, das Eis zu schmelzen?«, fragte sie, als traute sie ihren Ohren nicht. »Warum solltet ihr das für uns tun? Du hasst Tryan, Cayal. Und die zwei anderen da sind uns weiß Gott auch keinen Gefallen schuldig.«
»Im Augenblick hasse ich Jaxyn zufällig mehr«, sagte Cayal sanft und trat einen Schritt näher an sie heran. »Was die anderen angeht … nun, Hawkes hier hat mit Jaxyn wegen einer Weibergeschichte noch ein Hühnchen zu rupfen, und du hast etwas, das Kentravyon gern haben will.«
»Und was ist mit dir, Cayal? Dir kann das alles doch eigentlich egal sein.«
»Ist es mir auch«, antwortete er – ehrlicher, als Elyssa erwartet hatte, dachte Warlock. »Jedenfalls ist mir dein jämmerlicher kleiner Krieg mit Jaxyn egal. Aber ich brauche deine Hilfe, Elyssa.« Er kam noch einen Schritt näher, so nah, dass er ihre Hand nehmen und an seine Lippen fuhren konnte. »Und ich habe etwas, das du willst.«
Verblüfft sah Warlock zu, wie Elyssas Groll verrauchte und sie unter Cayals intimem Blick dahinschmolz. Meine Güte, dachte War lock, Jahrtausende an Lebenserfahrung , und sie kennt Cayal in- und auswendig, da wird sie doch nicht auf dieses durchsichtige Süßholzgeraspel hereinfallen?
Sie fiel darauf herein.
»Was meinst du damit?«, fragte Elyssa ein wenig atemlos. Hinter Cayal sah Declan Hawkes mit ungeduldiger Miene zu, und Kentravyon verdrehte die Augen, doch Elyssa war von Cayal zu gebannt, um das zu bemerken. Warlock verspürte tatsächlich kurz den unvernünftigen Drang, aus dem Gebüsch zu springen und seine Gebieterin zu warnen. Sich mit dem unsterblichen Prinzen und seinen höchst verdächtigen Gefährten einzulassen konnte einfach nichts Gutes bringen.
Doch er widerstand diesem Impuls, denn wenn er ihm nachgab, hatte er ein anderes, noch viel bedrohlicheres Problem am Hals. Sowohl Cayal als auch Declan Hawkes wussten, dass Warlock ein Ark war. Er würde auffliegen, sobald sie ihn zu Gesicht bekamen. Und dann gute Nacht, Warlock.
»Wenn du mir hilfst, Elyssa«, sagte Cayal mit einer so samtigen und verführerischen Stimme, dass sogar Warlock spontan betört war, »dann kann ich dir ein neues Leben schenken.«
»Ich brauche kein neues Leben, Cayal«, sagte sie. »Ich habe schon eins. Ein unendliches, schon vergessen?«
»Und wenn du es in einem anderen Körper weiterleben könntest?«, fragte er so leise, dass Warlock sich anstrengen musste, um ihn zu hören. »In einem Körper, der jung und schön ist und frei von deinen gegenwärtigen … Unpässlichkeiten?«
Verblüfft starrte Elyssa Cayal ins Gesicht, als ihr aufging, was er gerade gesagt hatte. Warlock konnte ihr deutlich ansehen, dass sein unerwartetes Angebot sie schwer in Versuchung führte. Er selbst hatte oft genug die toten Männer in ihrem Bett entsorgt, um nicht zu wissen, wie verlockend das für sie sein musste. Gezeiten, aber können sie denn so etwas? Den Geist aus einem unsterblichen Körper
Weitere Kostenlose Bücher