Familienbande
aus einem Albtraum. Sie hatte das unbestimmbare Gefühl, diesen Mann schon einmal gesehen zu haben, aber sie konnte sich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, wo das gewesen sein sollte.
Darrek kam ein paar Schritte näher und bewegte sich dabei mit der gleichen Anmut, die allen erwachsenen Vampiren anhaftete.
„Wie ist dein Name?“, fragte er mit seiner dunklen, dominanten Stimme. Laney konnte nicht sprechen, sondern starrte ihn einfach nur an. Als sie nicht antwortete, ging sein Blick zu ihrem Namensschild.
„Samantha?!“ Es klang eher wie eine Feststellung als eine Frage und deswegen nickte Laney nur.
„Was hat es mit den Kindern auf sich?“, erkundigte sich Darrek und kniete sich dabei hin, um Laney besser in die Augen sehen zu können. „Bist du nun eine Löwin, die ihre Beute verteidigt oder eher ihre Jungen?“
Laney dachte einen Augenblick über die Frage nach. Sie schien ihr völlig absurd zu sein, da die meisten Warmblüter ja bereits seit Jahrhunderten keine Menschen mehr attackierten. Für jemanden, der beschlossen hatte die Regeln zu brechen, war die Frage jedoch plausibel.
„Eher das Zweite“, antwortete Laney daher und drückte sich so nah an die Wand wie möglich. Sie versuchte Darrek genauso anzufunkeln, wie sie es mit Liliana getan hatte. Durch seine einschüchternde Präsenz war das aber gar nicht so einfach.
Darrek nickte und stand in einer eleganten Bewegung wieder auf.
„Das hatte ich mir schon fast gedacht“, sagte er. „Ein Raubtier, das um seine Jungen kämpft, ist in der Regel das gefährlichere.“
Er machte keinerlei Anstalten Laney aufzuhelfen, also blieb sie lieber sitzen, wo sie war.
Inzwischen war überall im Krankenhaus Unruhe ausgebrochen. Laneys Kampf mit Liliana war nicht unbemerkt geblieben und einige Patienten hämmerten von innen an ihre verschlossenen Türen und riefen nach den Schwestern. Es würde nicht mehr lange dauern, bis Panik ausbrach.
Darrek schien zu dem gleichen Schluss gekommen zu sein, denn er sah Liliana äußerst vorwurfsvoll an.
„Da versuchen wir so unauffällig wie möglich zu sein und du musst dich auf diejenigen stürzen, die von jeher unter dem größten Schutz stehen“, warf er ihr vor. „Du wirst die Kinder nicht anfassen, ist das klar? Du hast heute beim besten Willen schon genug Ärger gemacht.“
Laney war klar, dass es ihn nicht störte, dass Liliana die Kinder hatte töten wollen, sondern nur, dass sie damit ihre geheime Anwesenheit an diesem Ort verraten hatte. Trotzdem war sie ihm dankbar für seine Worte.
Liliana hingegen wirkte, als würde sie jeden Moment explodieren. Dennoch widersprach sie Darrek nicht.
„Ich habe den Mann gefunden, den Lil angegriffen hat“, sagte Darrek in Williams Richtung. „Er ist unten im Keller. Tot. Wir werden so bald wie möglich aufbrechen. Das Mädchen nehmen wir mit.“
„Als Proviant?“, fragte Liliana und lächelte breit, aber William stellte sich demonstrativ zwischen sie und Laney.
„Lady Liliana. Ich wusste ja, dass Ihr kein bisschen Ehre im Leib habt, aber Kannibalismus hätte selbst ich Euch nicht zugetraut. Ihr habt kein Recht, eine der Euren zu töten. Es gibt keinen Grund dem Mädchen zu schaden, außer Euch abzureagieren. Und das müsstet Ihr doch inzwischen bei den Patienten getan haben.“
Liliana verzog unzufrieden den Mund.
„Ob ich nun einen Menschen töte oder einen anderen Vampir … Wo liegt denn da der Unterschied?“
„Das solltet Ihr doch am besten wissen, Lady Liliana. Jagd und Mord wurden von jeher unterschiedlich geahndet. Habt Ihr denn überhaupt keine Angst vor den Konsequenzen?“
Liliana verdrehte genervt die Augen.
„Wer soll es den Ältesten denn schon erzählen? Du? Wenn mein Wort gegen deins steht, mache ich mir keine Sorgen, wem sie glauben werden.“
Laney verfolgte die Auseinandersetzung in fassungslosem Entsetzen. Diese beiden ungleichen Vampire diskutierten hier lautstark über ihr Ableben und sie verstand noch nicht einmal, warum Liliana sie überhaupt töten wollte.
In diesem Moment tauchten die letzten beiden Mitglieder der Gruppe auf.
Annick und Alain waren beide mittelgroß, hatten genau dieselbe dienertypische hellblonde Haarfarbe und fast dieselbe Gesichtsform. Das von Alain war nur unwesentlich markanter. Die einzigen offensichtlichen Unterschiede waren Haarlänge und Körperbau. Sie waren zwar beide sehr zierlich, aber Annick hatte schmale Schultern und ihre Brüste zeichneten sich deutlich unter ihrem Anzug ab,
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