Familienbande
abermals wich sie ihm problemlos aus. Er griff ins Leere und sie kam zehn Meter von ihm entfernt zum stehen. Misstrauisch beobachtete sie jede seiner Bewegungen. Dieses Mal attackierte er nicht ihren Oberkörper, sondern ihre Beine. Erschrocken sprang sie in die Luft und hielt sich an einem der Masten fest. So langsam wurde ihr dieses Spiel zu blöd. Sie stützte sich mit den Beinen an dem Mast ab und ließ sich nach unten fallen, aber kurz bevor sie wieder den sicheren Boden erreicht hatte, traf sie etwas im Rücken und schmiss sie meterweit zur Seite. Laney konnte sich gerade noch an der Reling festhalten, bevor sie über Bord gegangen wäre.
„Du bist schnell“, wiederholte William, als er sah, dass sie nicht ernsthaft verletzt war. „Aber du verlässt dich viel zu sehr auf deine Augen. Genau das wollte ich dir demonstrieren. Außerdem bist du in der Luft ein leichtes Ziel. Versuch immer am Boden zu bleiben, denn da hast du erheblich mehr Stand.“
Laney nickte und atmete schwer. Sie hatte nicht erwartet, dass William sie gleich so hart ran nehmen würde, aber sie hatte ja unbedingt sofort anfangen wollen, also war sie wahrscheinlich selber schuld.
„Also“, sagte William triumphierend. „Jetzt, da du das Prinzip verstanden hast, möchte ich dir gerne zeigen, warum ich einer der besten Kampflehrer bin, die man sich überhaupt wünschen kann.“
Laney sah ihn gespannt an und wurde dann bleich, als er vor ihren Augen verschwand.
„Oh nein“, protestierte sie. „Ich dachte, du wolltest mir beibringen, wie ich gegen Vampire kämpfen kann, die keine Gabe besitzen. Das ist ungerecht.“
„Buhuhu“, hörte sie ihn spöttisch sagen. „Fang nicht gleich an zu heulen, Sammy. Wie ich dir vorhin schon sagte: Als erstes musst du lernen, deinen Gegner zu fühlen statt ihn zu sehen. Das ist unheimlich wichtig beim Kampf. Und wenn du mich gar nicht sehen kannst, dann kommst du auch nicht in Versuchung deine Augen zu benutzen. Das macht mich zu dem besten Kampflehrer, den man sich vorstellen kann. Glaub mir. Wenn du es erst mal schaffst meine Bewegungen zu spüren, dann wird jeder Kampf danach ein Kinderspiel sein.“
Laney hörte Liliana weit über sich lachen und hätte einiges dafür gegeben, wenn sie statt mit William gegen die unverschämte Warmblüterin hätte kämpfen können. Das wäre wenigstens ein einigermaßen ausgeglichener Kampf gewesen. Aber so? Den Gegner spüren. Wie um Himmels willen sollte sie denn das machen?
„Bist du soweit?“, fragte die körperlose Stimme.
Nein, wollte Laney sagen, aber sie bekam kein Wort heraus.
Das Schweigen wurde offensichtlich als Zustimmung aufgefasst, denn wie aus dem Nichts heraus traf Laney ein Schlag in die Seite und sie ging zu Boden.
„Ach, komm schon, Samantha“, meinte die Stimme. „Das war doch noch nicht mal ernst gemeint. Steh auf.“
Laney atmete tief durch und konzentrierte sich darauf nicht zu weinen.
„Steh auf“, kam noch einmal der Befehl von William und dieses Mal gehorchte sie.
Wenn sie diesen Verrückten jemals entkommen wollte, dann musste sie lernen gegen sie zu kämpfen. Und wenn sie so dumm waren ihr dabei zu helfen, dann sollte ihr das eigentlich nur recht sein. Was sie jedoch schockierte, war, dass William sie nicht schonte. Laney war ihr Leben lang immer von allen mit Samthandschuhen angefasst worden. Sie war noch minderjährig und als solche besonders wertvoll. Kinder waren das kostbarste Gut, das die Herrenrasse besaß, und sie beschützten ihre Nachkommen mit ihrem Leben. William jedoch schien das nicht zu interessieren. Er hatte sich noch vor ein paar Minuten lachend mit ihr unterhalten und jetzt schlug er ihr in den Bauch, so dass ihr die Luft wegblieb. Es kostete sie einige Anstrengung sich jetzt nicht wie eine Mimose zu verhalten.
„Also gut“, sagte William und Laney konzentrierte sich auf die Richtung, aus der seine Stimme gekommen war. „Jetzt noch mal mit Gefühl.“
Laney hörte etwas, das wie eine Windböe klang, und sprang versuchsweise einen Schritt nach vorne. Doch bevor sie sich umdrehen konnte, traf sie etwas im Rücken und schleuderte sie wieder zu Boden. Laney knurrte und sprang sofort wieder auf die Beine.
„Wo bist du, verdammt noch mal“, schnappte sie.
„Wut wird dir nicht helfen, Sammy“, sagte William und Laney sprang in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Aber sie griff ins Leere und bekam im nächsten Moment einen Tritt gegen den rechten Arm ab. Vor Schmerz zog sie die Luft
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