Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)
Sánchez«, meldete sie mit triumphierender Stimme und warf ihre dunklen Locken anmutig über die Schultern zurück.
»Oh!« José schaute sie, seiner Rolle entsprechend, enttäuscht an. »Vielleicht finden Sie ihn unter den ehemaligen Mitarbeitern? Ich bin mir sicher, dass er in diesem Spital gearbeitet hat.«
Marias knallrote Fingernägel klackerten erneut auf den Tasten. »Bingo! Da gab es einen Doktor Alberto Sánchez, der hat aber schon vor einiger Zeit seinen Dienst quittiert.«
»Das muss er sein!«
»Ist aber fast zwei Jahrzehnte her. Sie hatten wohl keinen besonders engen Kontakt zu Ihrem Onkel, was?«
»Nun, ich lebe in der Schweiz und mit meiner Familie läuft es nicht so gut, wenn Sie verstehen, was ich meine«, rettete sich José und Maria lächelte wissend.
»Vielleicht könnten Sie mir seine Privatanschrift …?«
»Tut mir leid, aber das geht leider nicht.«
»Mierda!« , formten Josés Lippen tonlos, doch er gab nicht auf: »Es ist so: Beim Studium meines Stammbaums habe ich erst kürzlich entdeckt, dass ich einen Onkel habe, von dem mir nie jemand erzählt hat. Vielleicht gelingt es mir mit seiner Hilfe, das Verhältnis zu meiner Familie wiederherzustellen. Das wäre mein Herzenswunsch.«
»Nicht übertreiben«, flüsterte ich José auf Deutsch zu.
Maria lächelt bedauernd, diesmal aber in meine Richtung. »Private Daten, auch von ehemaligen Mitarbeitern, dürfen nicht an Drittpersonen weitergegeben werden.«
»Dabei hast du dich so darauf gefreut, ihn endlich zu treffen«, schaltete ich mich jetzt ein und legte José tröstend die Hand auf die Schulter.
»Und wer sind Sie?«, erkundigte sich Maria. »Etwa auch ein Neffe von Doktor Sánchez?«
»Nein, ich begleite meinen Freund nur.«
»Ach so«, sagte Maria gedehnt. »Wie süß.« Sie blinzelte mir anzüglich zu.
»Nicht so, wie Sie meinen!«
»Kein Anlass, sich zu rechtfertigen, wir sind liberal hier in Spanien. Schade nur, dass ich immer Männer kennenlerne, die entweder verheiratet oder schwul sind. Aber was soll’s.« Sie strahlte mich geradezu schamlos an.
Ich stöhnte innerlich. Schon bei meinem letzten größeren Fall war ich gezwungen gewesen, als Undercoverhomo zu ermitteln. Wie es schien, drängte man mich geradezu in diese Rolle.
»Maria, ich kann Ihnen versichern …«
»Lassen Sie das Versichern, solange Sie nicht in der Lage sind, es zu beweisen …«
»Führen Sie mich nicht in Versuchung!«
»Könnte ich das?« Sie warf mir einen koketten Blick zu und die Luft zwischen uns knisterte plötzlich vor Spannung.
»Und was nun?«, erkundigte sich José leicht genervt.
Maria schloss kurz die Augen, bevor sie sich wieder ihm zuwandte. »Ich befürchte, ich kann nichts für Sie tun.«
»Maria, hören Sie.«
Ich beugte mich zu ihr hinüber und sah ihr tief in die Augen. »Mein Freund hier hat sonst keine Familie, auf die er zählen kann. Es ist wahnsinnig wichtig für ihn, seinen Onkel ausfindig zu machen, bevor …« Ich machte eine vielsagende Pause.
»Das Telefonbuch?«
»Beinahe zweihundert Männer mit demselben Namen.«
Zögernd presste Maria die Lippen zusammen, dann gab sie sich einen Ruck, lächelte mich zuversichtlich an und gab den Namen erneut ein. Irritiert blickte sie auf. »In unserem Computer ist keine aktuelle Adresse von Doktor Sánchez registriert. Ist er eventuell verstorben?«
»Das hätten wir sicher herausgefunden«, gab ich mich überzeugt. Wäre Sánchez nicht mehr am Leben, hätten die Schwestern nicht seine Nummer zuoberst auf die Liste gesetzt. Andererseits – bei unserem Besuch hatte der Orden nicht den Eindruck gemacht, als würde überhaupt etwas regelmäßig auf den neusten Stand gebracht.
»Dann hat sie jemand aus dem System gelöscht«, schlussfolgerte Maria. »Normalerweise archivieren wir alle Anschriften unserer ehemaligen Mitarbeiter für Weihnachtskarten und Ähnliches …«
Mein Instinkt sagte mir, dass wir den richtigen Alberto Sánchez gefunden hatten. Erst die Nonnen, die sich an nichts mehr erinnern konnten, und dann der Arzt einer Kinderklinik, der unbemerkt aus dem System getilgt worden war. Grund genug, die Spur weiterzuverfolgen. »Gibt es eventuell jemanden hier im Spital, der mit ihm zusammengearbeitet hat? Jemand, der ihn noch persönlich kennt?«
Maria dachte kurz nach und griff dann zum Telefon, um ein kurzes Gespräch in rasend schnell gesprochenem Spanisch zu führen. Ein paar Mal fiel der Name Sánchez, ansonsten verstand ich kaum ein Wort.
»Ihr habt
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