Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)
stehen geblieben war.
»Was verschafft uns die Ehre?«
»Ich …«
»Wenn Sie bitte zur Seite treten würden, damit meine beiden Kaufinteressenten die wunderwunderschöne Gartenanlage besichtigen können?« Energisch stieg sie die Stufen hoch.
Verdattert tat der Polizist, was sie verlangte. Als sie sich elegant an ihm vorbeischlängelte, bedankte sie sich mit einem strahlenden Lächeln.
»Ich sage nur: Morgensonne. Sie sind doch beide Frühaufsteher, nicht?«
Wir bejahten eifrig und José murmelte ein paar spanische Bemerkungen.
»Sie meinen, die Palme da müsse weg? Das sehe ich ebenso, sie ist ja schon ganz verdorrt. Und die Feigenbäume wohl auch, die wirken etwas mitgenommen.« Eifrig machte sie sich Notizen, während sie uns an der Querseite des Hauses entlanglotste und dabei ununterbrochen auf uns einplapperte: »Der Preis ist natürlich Verhandlungssache, aber ich sage Ihnen das unter dem Siegel der Verschwiegenheit: Für diese Gegend ist das Gebäude ein Schnäppchen!«
Der Polizist war uns gefolgt und kratzte sich verlegen am Kopf, als wir um die Ecke bogen und sich sein Kollege mit fragend hochgezogenen Augenbrauen vor uns aufbaute.
»Ich sage immer: Schlafen Sie eine Nacht drüber und entscheiden Sie dann! Aber lassen Sie sich nicht zu viel Zeit, das Objekt ist begehrt!« Mo stieß ein wieherndes Lachen aus und patschte mir vertraulich ihre Hand auf die Schulter. »Ich höre von Ihnen!«
Sie geleitete uns von den Polizeibeamten weg zum Gartentor. »Wo haben Sie geparkt? Gleich da vorne? Das trifft sich ja wunderbar, ich muss in dieselbe Richtung!« Sie wandte sich nach den beiden verdutzten Männern um und deutete eine Verbeugung an: »Señores.«
»Habt ihr das gesehen? Wie der eine geguckt hat? Die waren so was von sprachlos!«, Mos Lachen war ansteckend und ihre grünen Augen funkelten übermütig. Wir erhoben unsere Gläser und stießen mit einem Cava Codorníu an, einem trockenen Schaumwein, den José beim Kellner bestellt hatte, nachdem er den Sherry schweren Herzens in der Klinik hatte zurücklassen müssen.
Mo hatte uns mit ihrem uralten Seat, den sie tatsächlich in unmittelbarer Nähe geparkt hatte, ins Stadtzentrum zurückgefahren und uns zu einer Tapasbar nicht weit von ihrer Wohnung geführt. Das Corazón Loco war ein schmuckes, übersichtliches Lokal in der Nähe des Plaza San Andrés, im Spitzwinkel zweier schmaler Gässchen gelegen. Die Wände bestanden aus roten Backsteinen, das Tagesmenü war mit Kreide auf eine Schiefertafel notiert und der Touristenaufmarsch erträglich. Wir hatten uns an eines der einfachen Tischchen im hinteren Bereich des Restaurants gesetzt und nebst der Flasche Sprudel eine Auswahl Tapas bestellt. Jetzt balancierte der Kellner die kleinen Tellerchen auf einem Tablett heran und versuchte, sie auf der ohnehin schon knapp bemessenen Tischplatte zu platzieren. Nebst dem obligaten Jamón Ibérico und etwas Queso Manchego hatte Mo Pulpo a la Gallega , einen leckeren Tintenfischeintopf, geordert, des Weiteren Albóndigas , Fleischbällchen in einer würzigen Brühe, Patatas Bravas und Boquerónes fritos , in Öl gebackene Kartoffeln mit scharfer Tomatensoße und frittierte Fischchen, die man mit etwas Zitrone verspeiste. Dazu gab es geschmorte Champignons mit viel Knoblauch und eine himmlische lauwarme Tortilla , während in einer Schüssel aus gebranntem Ton ein schlammfarbenes Gericht schwappte, aus dem Stücke von Badeschwämmen ragten.
» Callos madrileños, Kutteln nach Madrider Art«, klärte mich Mo lachend auf, als sie mein angewidertes Gesicht sah. Ich überwand mich, probierte eine Gabel voll und schauderte, während ihr die Innereien ausgezeichnet zu schmecken schienen.
Erst jetzt bemerkte ich, wie hungrig ich gewesen war, außer dem Muffin im Flugzeug hatte ich an diesem Tag noch nichts gegessen. Nachdem wir alle satt und vom Sprudel ein bisschen beschwipst waren, lenkte ich das Gespräch, das sich betont neutral um die beruflichen Werdegänge von Mónica und José drehte, wieder auf den Fall zurück.
»Mo, du hast erwähnt, dass nach dem Aufdecken des Skandals keine Adoptionen mehr stattgefunden haben. Wie ging es weiter?«
Mo schüttelte den Kopf, während sie etwas Olivenöl mit einem Stück Weißbrot auftunkte und es sich in den Mund steckte: »Das stimmt so nicht ganz. Ein findiger Journalist stieß nur wenige Monate nach Publikwerden des Skandals auf eine Kinderklinik am Stadtrand, in der weiterhin ungewöhnlich viele Todesfälle
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