Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)
Stimme.
»Wie gehen davon aus, obwohl Papas Leiche nie aufgetaucht ist. Mutter hat Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um ihn zu finden, doch es war vergebens.«
»Bist du deshalb hinter Sánchez und Grüninger her?«, wollte ich wissen.
»Diese Cabrones haben nicht nur meinen Vater auf dem Gewissen, sondern mutmaßlich Hunderte von Familien zerstört! Ich gebe nicht auf, bis ich die beiden erwischt habe, und wenn ich den Rest meines Lebens damit verbringe!« Mos Augen funkelten vor Wut.
»Ich war einmal so nah dran!« Sie hob die Hand und deutete einen winzigen Abstand zwischen Daumen und Zeigefinger an. »Wie mein Vater.«
»Wie das?«
Der Kellner brachte die neue Flasche und schenkte uns allen ein. Wir stießen an und tranken, bevor Mo mit ihrem Bericht fortfuhr: »Eines Nachts, es muss ein paar Monate nach dem Verschwinden meines Vaters gewesen sein, bin ich in die Klinik eingebrochen. Ich wusste von seinen Verdächtigungen, wir hatten oft darüber gesprochen. Zudem war ich in den Wochen zuvor seine Notizen gründlich durchgegangen. Ich wollte irgendeine Art von Bestätigung in der Hand haben, bevor ich mich bei der Polizei lächerlich machte. Doch in die Klinik reinzukommen, war schwierig, Sánchez und Grüninger ließen seit dem Zwischenfall mit meinem Vater das Gebäude von Wachmännern mit Hunden sichern. Die Nachtschwestern zirkulierten unregelmäßig, sodass es beinahe unmöglich war, sich unentdeckt durch die Gänge zu bewegen. Ich habe es nur geschafft, weil ich wochenlang jeden verdammten Tag hierhergefahren bin. Eines Abends hatte ich Glück: Ein Notfall wurde angeliefert, eine schwangere Frau, die bereits in den Wehen lag. Sie kam mit Entourage und viel Gepäck angereist, wie es sich für jemanden gehört, der wahrscheinlich im Parque Conde de Orgaz wohnt.«
»Wo?« Ich hatte keine Ahnung, wovon sie sprach.
»Das ist das Luxusviertel der Stadt, wo der Großteil der Patientinnen herkam, zumindest jener, der bezahlen musste. Kaum war sie da, brach ein mittleres Chaos aus. Die Frau lag zwar in den Wehen, aber sie führte sich auf, als wäre sie nicht in einer Klinik sondern im Palacio Real , dem königlichen Palast . Natürlich tanzten alle nach ihrer Pfeife und wuselten unterwürfig um sie herum, während die Wachen sie auf einer Bahre reintrugen. Das war meine Chance. Ich schlüpfte am Empfangsbereich vorbei, versteckte mich in einer Putzkammer und wartete ab.
Als sich die Nachtschwestern endlich mit der neuen Patientin in einem der Behandlungszimmer verzogen hatten, schlich ich mich raus und begann herumzuschnüffeln. In den Schränken gab es zwar massenweise Unterlagen, doch die Zeit war zu knapp, um sie alle durchzugehen.« Mo nippte an ihrem Glas. »Auf der Ablage hinter dem Empfangstresen fand ich jedoch eine einzelne Akte. Die Adresse auf dem Umschlag machte mir sofort klar, dass die Mappe keiner dieser reichen Weiber gehören konnte. Irgendeine Gasse nördlich der Gran Via, nicht gerade die beste Wohngegend. Als ich sie aufschlug, stach mir als Erstes der Vermerk ins Auge, dass das Kind verstorben war. An einem Herzfehler, stand da. Eine hingekritzelte Notiz wies aber darauf hin, dass unverzüglich eine Frau Martinez in Valencia anzurufen sei. In dem Augenblick hörte ich das Zuschlagen einer Tür, dann Schritte. Schnell fotografierte ich die Unterlagen und verdrückte mich wieder in die Besenkammer.
Es wurde weit nach Mitternacht, bis ich endlich abhauen konnte. Die eine Schwester unternahm gerade einen Rundgang, während die andere vor dem Haupteingang mit den Wachen eine Zigarette rauchte. Ich hatte mir zwar im Vorfeld ausführlich Gedanken darüber gemacht, wie ich unentdeckt in die Klink reingelangte, auf welchem Weg ich dort wieder rauskommen wollte, hatte ich vergessen zu planen.« Mo lächelte verlegen.
»Ein spontaner Einfall war, durch das Klofenster zu verschwinden. Dummerweise waren die Toiletten auf der Rückseite des Gebäudes. Ihr habt ja vorhin selbst gesehen, auf welcher Höhe sich da die Fenster befinden. Ich hätte zwar problemlos durch den engen Fensterrahmen gepasst, doch den Sprung auf den Rasen hätte ich kaum heil überstanden. Mir blieb nur der Weg durch den Keller. Ich hielt bereits die Klinke in der Hand, als mir das monotone Brummen auffiel. Es muss wohl die berufliche Neugierde gewesen sein, die mich veranlasste, dem Geräusch zu folgen. Es führte mich zu einem mannshohen Tiefkühlschrank und ihr glaubt nicht, was ich darin fand: zwei Babyleichen! Ein
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