Family Affairs: Heiße Sehnsucht: Erotischer Roman (German Edition)
man ihr noch vor dem Skandal angeboten hatte. Zuerst diente es nur zur Ablenkung, weil sie ja nicht jede wache Minute damit verbringen konnte, an Ross zu denken. Mittlerweile las sie Seite für Seite mit wachsendem Interesse, denn die weibliche Hauptrolle war bei Weitem nicht so banal und auf rein körperliche Vorzüge reduziert, wie es bei den sonstigen Angeboten der Fall war, die ihr im Laufe der Jahre ins Haus geflattert waren. Die Figur der Elise Salinger war wirklich interessant. Eine Frau am Abgrund ihres Lebens, die durch eine Affäre mit einem jüngeren Mann ihre Ehe aufs Spiel setzte und anfing ein Doppelleben zu führen, weil sie keinen der Männer verlieren wollte. Sie musste zugeben, dass sie die Rolle liebend gerne angenommen hätte, doch nach den aktuellen Ereignissen würde man ihr wohl absagen. Die ersten Werbepartner hatten auch schon angedeutet, dass sie die Zusammenarbeit mit ihr nach Ablauf der Laufzeit nicht mehr weiterführen wollten. Lee seufzte und klappte mit einem frustrierten Laut die Mappe wieder zu. Mit der Hand rieb sie sich über die angespannte Nackenpartie und schlug die Beine unter, um es sich ein wenig bequemer zu machen. Sie trug einen weich fließenden Kaftan, der auf Höhe ihrer Oberschenkel endete, und den klemmte ihn bei dieser Bewegung ein. Ungeduldig zerrte sie den Stoff wieder raus und drapierte ihn über den bequemen Leggins, die sie zu Hause so gern trug, und überlegte, was sie mit dem angebrochenen Abend anfangen sollte. Madeline konnte sie ja nicht mehr anrufen, so wie sie es früher in dieser Situation getan hätte. Die lag jetzt sicher mit Ross im Bett und durfte seinen Körper und seine geschickten Berührungen genießen.
„Igitt“, flüsterte sie angewidert, als sie sich vorstellte, wie es die beiden miteinander trieben. Ihr Blick fiel aufs Telefon, das neben der Fernbedienung auf dem niedrigen Wohnzimmertisch lag, und dann auf den gepolsterten Umschlag, den man ihr in aller Herrgottsfrühe per Einschreiben zugestellt hatte. Lee fixierte die braune Hülle, als wäre sie eine tickende Zeitbombe. Der Vergleich war gar nicht so weit hergeholt, denn in dem Ding befand sich das Scheidungsgesuch, ausgestellt von Ross’ Anwalt. Dieses Schriftstück war der letzte Schritt auf einem langen Weg, den sie in den letzten zwanzig Jahren hinter sich gebracht hatten. In einem Anfall von Trotz fischte sie das Schreiben heraus und zerknüllte es zu einem kleinen weißen Ball, den sie dann achtlos auf die Tischplatte fallen ließ.
„Verdammt sollst du sein, Ross Turner“, flüsterte sie erbittert, stand auf und lief zur Bar, um sich einen Drink zu gönnen. Hinter der Theke öffnete sie eine Whiskeyflasche und setzte den Flaschenhals an die Lippen. Der Alkohol brannte ihr in den Augen, noch bevor sie auch nur einen Schluck davon getrunken hatte. Sie blinzelte das beißende Gefühl weg und warf eher zufällig einen Blick in den Spiegel, der den größten Teil der Wand hinter ihr einnahm. Mit geradezu schmerzlicher Ehrlichkeit reflektierte ihr Spiegelbild die Person, zu der sie geworden war. Eine Frau, die – ähnlich wie Elise im Drehbuch – mit ihrem Leben nicht zurechtkam und nun Trost im Alkohol suchte. Abrupt knallte sie den Flaschenboden auf den Tresen und wandte sich angeekelt ab. Nein, sie würde nicht als Trinkerin enden. Auf gar keinen Fall!
Rastlos wanderte sie durch das große Wohnzimmer und blieb schließlich vor der Schiebetür zur Dachterrasse stehen. Wie Daunenfedern segelten die einzelnen Flocken auf die Erde nieder. Federleicht, scheinbar gewichtslos, wirbelten sie durch die Luft und tanzten fröhlich umher. Die gefrorenen Wasserkristalle ähnelten ein wenig den Erfahrungen ihres Lebens. Jede für sich genommen war erträglich und wog nicht sonderlich schwer, doch türmte sich ein zu großer Haufen an, dann wurde man von dem Gewicht erdrückt. Sie war so versunken in den Anblick, dass sie das Klingeln an der Haustüre nur am Rande wahrnahm. Doch der ungebetene Besucher blieb hartnäckig, und Lee befreite sich aus ihren selbstquälerischen Gedanken. Gereizt marschierte sie zur Haustür und warf einen Blick auf die große Standuhr im Flur. Es war schon spät, also konnte das nur Sid sein. Er war der Einzige, der sich traute, unangemeldet aufzutauchen. Die Aussicht, ein wenig mit ihrem alten Freund zu plaudern, zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht, und sie riss schwungvoll die Tür auf. „Sid, du …“
Sie brach mitten im Satz ab, denn es waren nicht Sids
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