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Fantastische Jungs. Gay Fantasy Geschichten.

Fantastische Jungs. Gay Fantasy Geschichten.

Titel: Fantastische Jungs. Gay Fantasy Geschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Janus
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können. Ich will so gerne nach Hause!« Wanja umschlang mich. Wir küssten und streichelten einander. Dann gingen wir auf dem dunklen Pfad zum Dorf, gemeinsam, wie immer.
     
    ***
    Das Trulli-Gehöft lag still, wie unbewohnt in der steinernen Einfriedung. Im schwachen Mondlicht glänzte das weiße, schützende Zeichen auf dem Dach. Ich holte tief Luft, legte meinen Arm noch fester um Wanja, und dann donnerte ich mit der Faust und den Füßen gegen die verschlossene Pforte, mehrmals und sehr laut.
    Die Tür wurde einen Spaltbreit geöffnet. Ich trat so heftig an das Holz, dass das Türblatt gegen die innere Wand krachte. Tonio stand vor uns, mit einer blutfleckigen Binde um den Kopf, und riss die Augen auf, als würde ihm der Teufel persönlich erscheinen.
    »Dio, Dio, Dio!«, hauchte er nur. »O Dio! Dio mio!«
    »Um Gott anzurufen, ist es zu spät!«, knurrte ich.
    Tonio fiel auf die Knie. Aus den Durchgängen, aus allen Türen kamen sie, die Mutter, die Frau, die Kinder, die Alte sogar. Die Frauen schalteten Licht ein, und im dürftigen Schein der schwachen Glühbirnen huschten die vielfachen Schatten der Verschreckten über die weiß gekalkten Wände.
    »Keine Polizei! O Dio, keine Polizei!«, winselte Tonio. »Meine fünf Kinder, meine Mutter, meine Großmutter, meine Frau, alle sind alleine! Keiner gibt ihnen zu essen, wenn ich bin weg! Dio – ich wollte euch nichts tun – ich schwöre, ich wollte euch nichts tun – ich hatte nur Angst – dass sie es wissen – alle hier im Dorf – dass sie wissen, was ich mit dem Jungen gemacht habe – dass sie mich checca nennen – dass sie mich anspucken – dass sie mit Steinen nach meinen Kindern werfen – Dio! Ich kann nicht dafür! Ich weiß nicht, warum ich das gemacht habe! Es war – ein böser Geist! Ich gebe euch alles! Das Geld, was ich habe! Meine Frau hat Schmuck, ist sehr wertvoll! Per favore! Nicht die Polizei!« Er umklammerte meine Füße. Die Familie wich beklommen zurück von dem Mann, der sich vor uns verzweifelt erniedrigte.
    Ich sah zu Wanja, den ich weiterhin fest im Arm behielt, sah dessen Blick über die Kinder gleiten, mit denen er gespielt hatte, vier Monate lang, über die junge Frau, die ihm bei der Arbeit geholfen hatte, die mich versucht hatte zu warnen vor dem eigenen Mann und doch nichts wirklich verraten hatte, nichts hatte verraten dürfen. Mein mitleidiger Cannolora!
    »Steh auf und hol Wanjas Sachen!«, sagte ich zu dem Elenden, der immer noch vor mir auf dem Boden lag. »Sämtliche Sachen! Alle Aufzeichnungen und alles Gepäck. Und meinen Rucksack! Und etwas zu essen!« Weiter von der Tür fort in das Haus hineinzugehen wagte ich nicht.
    Tonio sprang auf, scheuchte die Frauen in die Küche und lief selbst nach unserem Gepäck. Er brachte alles in Windeseile. Dann riss er aus einer verborgenen Lade Geldscheine heraus und aus einer anderen ein Kästchen, das er vor uns mit bebenden Händen öffnete. Außergewöhnlich schöner, alter Granatschmuck glitzerte golden auf, ein Halsband, Ohrhänger, Armbänder und Ringe.
    Ich nahm das Geld und den Schmuck und gab beides Wanja, denn er war es vor allem, der schrecklich gelitten hatte. Er jedoch blickte zu der jungen Frau, die gerade aus der Küche zurückkam.
    »Sofia!«, sagte er leise, dann zwei Sätze auf Italienisch, und gab ihr Geld und Schmuck zurück. Die Frau wollte ihm die Hände küssen. Rasch entzog Wanja ihr seine Hand.
    »Komm!«, meinte er zu mir. »Gehen wir schnell!«
    Indem ich unser Gepäck schulterte, griff Wanja zu dem Brot und den Früchten, die Tonios Mutter ihm reichte, und nickte ihr zu. Tonio, der weiter hinten stand und den Kopf gesenkt hielt, würdigte er keines Blickes mehr.
     
    ***
    »Lies mir unser Märchen vor!«, sagte Wanja, während wir müde am kleinen Bahnhof von Castellana auf den ersten Frühzug nach Bari warteten. »Nicht alles – nur den Schluss. Ich hatte es nicht dabei, auf dem Weg nach ... also, an diesem schrecklichen Tag. Vielleicht ging deshalb alles schief.« Er versuchte, ein kleines Lächeln auf sein Gesicht zu zaubern, sicher das erste seit mehr als zwei Tagen.
    Ich kramte das Büchlein mit einer Hand aus meinem Gepäck, mit der anderen hielt ich Wanjas Hand fest. Dann begann ich vorzulesen: » Langsam verrann die Zeit. Der arme Gefangene in der Dunkelheit der Felsengruft wusste nicht, ob es Tag oder Nacht war. Da dröhnte einmal der Hall des Donners in die Tiefe. Cannoloras Herz klopfte, als er Schritte vernahm. Er horchte angestrengt

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