Farben der Liebe
einschlug.
Philip war schwul? Also so richtig? Hatte er sich gerade wirklich geoutet?
Mein Gesicht hellte sich schlagartig auf und erst, als ich wieder zu Philip hochschauen konnte, wurde mir klar, dass er mich die ganze Zeit über mit einem Lächeln betrachtete.
„Das ist ja großartig!“
Philip lachte überrascht auf. „Ja, ich wünschte das hätte mein Onkel auch gesagt.“ Er kam einen halben Schritt auf mich zu, das ließ mich wiederum einen halben Schritt zurückweichen.
„Also stehst du auch auf Männer? Klar, für eine Hete bist du viel zu süß.“
Mein Neffe war nicht der Einzige, der anständig erröten konnte. Das hatte er ja jetzt total falsch aufgefasst! Wie manövrierte man sich am besten aus so einer Situation heraus?
„Nein, nein! Also ich bin nicht … ich stehe nicht auf Männer!“ Meine Hände hoben sich in einer abwehrenden Geste. Verdammt, wie peinlich konnte eine Situation eigentlich noch werden?
„Es geht um meinen Neffen …“
Philips Gesichtsausdruck verhärtete sich. „Ich habe kein Interesse an Kindern.“
„Nicht doch! Aber vielleicht könntest du mir helfen?“ Was dachte der bitteschön von mir? Dass ich meinen Neffen an ihn verkaufen wollte? „Er … er hatte ein mieses Erlebnis mit einem Mädchen und jetzt denkt er, er wäre schwul!“
„Und?“ Philip hob die Augenbraue.
„Aber ich glaube, dass es nur eine Phase ist!“
Philip schnaubte und strich sich das dunkelblonde Haar zurück. Seine eisblauen Augen musterten mich. „Lass ihn doch schwul sein, wenn er das möchte. Was stört dich denn daran?“
Was mich störte? Konnte man das denn nicht verstehen? Er war mein Neffe! „Aber wenn er an die falsche Person gerät …“
„Ist ihm ja mit einer Dame offensichtlich bereits passiert. Ob Mann oder Frau, niemand kann dir eine Garantie geben Onkelchen, sorry.“
„Das soll doch nicht abwertend klingen, aber ich mache mir Sorgen um ihn!“ War das denn so schwer zu verstehen?
Die Härte verschwand ein wenig aus Philips Gesicht. „Lass ihn seine Erfahrungen sammeln, Denis. Denn erst dann wird er merken, ob er wirklich schwul ist oder nicht. Ihn vor der Welt da draußen verstecken zu wollen bringt dir rein gar nichts.“
Ich konnte mich nicht dagegen wehren, seine Worte waren irgendwie einleuchtend. Aber auch nur, weil ich keine Gegenargumente aufbringen konnte. Das Einzige, was für mich dagegen sprach, war die Moral. Mir war es ja egal, ob jemand schwul, lesbisch oder bi war. Nur bei meinem Knirps hier störte es mich gewaltig.
„Du siehst aus wie ein aufgeschlossener Bursche, Denis.“ Philip schmunzelte. „Es würde dir sicher nicht schaden, wenn du auch ein wenig deinen Horizont erweiterst.“ Er zwinkerte mir zu. „Du hast nichts zu verlieren, nur zu gewinnen. Wenn dir also mal danach ist, etwas Neues auszuprobieren, weißt du ja, wo du mich findest, Nachbar.“
Fast blieb mir die Spucke im Halse stecken. Was sagte er da? Machte der mir gerade ein unmoralisches Angebot?
„Onkel Denis!“, rief jemand durch die Menge. Sven kam im Schnellschritt herbei geeilt, blieb abrupt vor Philip stehen und bekam riesengroße Augen.
Sagte ich bereits, dass das Erröten in der Familie lag? Hier ein weiteres Paradebeispiel.
„Na Kleiner? Mach deinem Onkel bloß keinen Ärger!“ Im Vorbeigehen wuschelte er Sven durch das Haar.
Klasse, wenn ich das tat, wurde ich angeschrien und geschlagen. Aber bei Philip reagierte er gar nicht!
„Oh mein Gott!“, jauchzte Sven. „Wer ist dieser heiße Kerl? Kennst du den etwa, Onkel?“
Sven war völlig aus dem Häuschen und starrte Philip sogar dann noch hinterher, nachdem er längst verschwunden war.
Na prima. Bis eben hatte ich noch gehofft, er würde diesen Schwulenkram vergessen. Jetzt war es dank mir wieder ins Rollen gekommen.
***
Die ersten drei Tage vergingen nur langsam und Sven hatte nichts anderes mehr zu tun, als nach Philip Ausschau zu halten. Dass Philip und ich Nachbarn waren, blieb natürlich mein kleines Geheimnis. Am Ende hätte er sich noch bei mir einquartiert.
Nach dieser Sache am Aufzug war mir Philip aber auch nicht mehr über den Weg gelaufen.
Manchmal erwischte ich mich nachts dabei, wie ich den Fernseher leiser stellte und lauschte, um zu hören, ob und wann Philip ein und aus ging. Mit wenig Erfolg.
Hatte er das Hotel etwa bereits verlassen? Philip meinte ja, dass er in einer Woche abreisen würde. Aber was wenn er damit nicht einmal ganze sieben Tage gemeint hatte?
Mein schlechtes
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