Farben der Liebe
„Warte, worum geht es?“, fragte er leicht irritiert, da es anscheinend dringend sein musste.
„Keine Ahnung“, erwiderte sie nur.
„Red` nicht, du weißt für gewöhnlich, um was es geht.“
„Nein diesmal echt nicht, es ist jemand in seinem Büro aufgetaucht und nach kurzer Zeit meinte er, ich solle dich holen und das es eilig sei, tut mir leid, mehr weiß ich auch nicht.“
„Ist Okay, aber so viel Zeit, dass ich mir meine Hände waschen kann, wird wohl noch sein“, sagte er grinsend und zwinkerte ihr zu, bevor er im Waschraum verschwand.
Fünf Minuten später klopfte er an die Bürotür und betrat das Zimmer.
„Gut, das du da bist, komm näher, darf ich dir Herrn Tollmann vorstellen? Und das ist Herr Lepuschitz oder kennt ihr euch?“
Alexandro nahm die Hand, die ihm entgegengestreckt wurde, nach einem knappen Blick auf dessen Gesicht, wusste er, dass er ihn noch nie gesehen hatte. Lange gewellte schwarze Haare, die ihm bis über die Schultern fielen, umrahmten ein Gesicht, dessen Augen so dunkel waren, dass sie schon fast schwarz wirkten. Solche Augen hätte er im Leben nicht vergessen. Eine perfekte kleine gerade Nase und Lippen, die sagten: Küss mich.
„Nein, ich hatte leider noch nicht das Vergnügen Herrn Tollmann kennenzulernen“, lächelte Alexandro, wobei er ihm länger in die Augen sah, „was kann ich für Sie tun?“
„Also ich schlage vor, wir setzen uns erst mal, und dann kann er dir darlegen, um was es geht“, meinte sein Boss in ernstem Ton. Alexandro setzte sich und schaute die beiden erwartungsvoll an.
„Ich sollte vielleicht damit beginnen, zu erklären, wer ich bin. Meine Eltern haben vor ungefähr fünf Jahren das Haus von der Familie Bauer, neben dem Ihrer Eltern gekauft. Wir wussten …“
Alexandros Gesichtsausdruck verfinsterte sich, er sprang wütend auf.
„Das alles interessiert mich nicht, Sie können sich jedes weitere Wort sparen. Mir tut es leid, dass Sie den langen Weg hierher umsonst unternommen haben, aber meine Arbeit wartet.“
Schon drehte er sich um und ging Richtung Tür, als ihn die Stimme seines Chefs aufhielt. „Alex warte, komm zurück und hör dir bitte an, was er zu sagen hat. Du solltest doch wissen, dass ich dich nicht wegen Belanglosem herholen würde.“
Widerwillig erkannte er, dass da was Wahres dran war, machte kehrt um sich steif auf den Stuhl niederzulassen, „Dann reden Sie“, forderte er den Besucher unfreundlich auf.
„Gut, erst mal, ich bin nicht extra deswegen hergefahren, ich hatte geschäftlich hier in Frankfurt zu tun. Als meine Mutter mich heute früh anrief und mir mitteilte das …, ich muss Sie leider in Kenntnis setzen, dass Ihr Vater gestern an einem Herzinfarkt gestorben ist. Meine Mutter bat mich, nach Ihnen zu suchen, mit der Bitte, dass Sie nach Hause kommen sollten, um sich um die Beerdigung zu kümmern. Da Ihre Mutter dazu anscheinend nicht in der Lage ist.“
Nachdem Alexandro die Nachricht vom Tod seines Vaters vernommen hatte, bekam er nicht mehr viel mit. Nicht weil es ihn schockierte, sondern weil er in sich hineinhorchte und feststellte, dass da gar nichts war. Keine Genugtuung oder Erleichterung, schon gar keine Trauer, einfach nichts. Für ihn ist – war - sein Vater schon vor Jahren gestorben. Sie hatten nie ein gutes Verhältnis zueinander gehabt, er konnte ihm einfach nichts recht machen, und dann kam auch noch Klaus hinzu.
Bei diesem Namen zog sich Alexandros Herz zusammen. Erinnerungen stürzten auf ihn ein, die er tief in seinem Inneren vergraben hatte. Klaus Bauer wohnte im Nachbarhaus und war einige Jahre älter als Alexandro. Er war der erste Mensch, der Interesse an ihm bekundete. Von dem er seinen ersten Kuss bekommen hatte und der ihm zeigte, wie schön die Liebe zwischen zwei Männern sein konnte. Er hatte und hätte alles für ihn getan. Dass sie sich nur heimlich treffen konnte, störte zwar, aber sie wussten, wie Alexandros Vater war. Dass es Klaus nicht nur darum ging, wurde Alexandro an dem Tag klar, als er nach Hause kam und von seinem Vater verprügelt, und als abartige nichtsnutzige Schwuchtel und noch so einiges mehr, beschimpft und auf die Straße gesetzt wurde. Bis heute wusste er nicht, wie er herausgefunden hatte, das Alexandro auf Jungs stand.
In seiner Verzweiflung lief er zu Klaus und lernte, dass es so was wie Liebe nicht gab. Dass die Heimlichtuerei nicht zum Schutz Alexandros galt, sondern die Feigheit Klaus' verbergen
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