Farben der Sehnsucht
zur Hintertür hinaus und hielt kurz an, um mit seinem Blick den verlassen daliegenden Rasen abzusuchen. Als er Sloan nirgends entdecken konnte, wandte er sich nach rechts und lief an der Rückseite des Hauses entlang. Am Ende der Mauer angekommen, bog er um die Ecke und konnte Sloans Schatten gerade noch ein Stück von ihm entfernt in der Nacht verschwinden sehen. Er folgte ihr in die Richtung, in der sie abgetaucht war, und sah sie schließlich an der Seite des Hauses gegen die Mauer gepreßt stehen und um die Ecke nach vorne spähen. »Sloan!« rief er, doch da rannte sie schon wieder los und überquerte in Windeseile den Rasen an der Vorderfront des Hauses, wobei sie im Wege stehenden Sträuchern und Büschen geschickt auswich und wie bei einem Hürdenlauf über mehrere Hindernisse hinwegsprang. Er hastete ihr nach, und es gelang ihm schließlich, den Abstand zwischen ihnen nach und nach zu verringern. Doch er war zu wütend und besorgt, um die Geschicklichkeit und Schnelligkeit ihrer Bewegungen zu bewundern - oder um zu merken, daß ihre Reaktion ihm so verblüffend bekannt vorkam.
Kurz vor dem Eingangstor blieb sie stehen und ließ niedergeschlagen den Kopf sinken, während ihre Schultern in stillem Schmerz zu beben begannen. Als Noah sie endlich eingeholt hatte, packte er ihre Arme und warf sie herum. »Was zum Teufel...«
»Sie ist tot«, schluchzte sie. »Sie ist tot...« Die Tränen, die über ihre Wangen strömten, dämpften seinen Zorn über ihre Unbesonnenheit, und schließlich zog Noah sie an sich und nahm sie fest in seine Arme. »Es tut mir leid«, flüsterte er. »Es tut mir so leid.«
In der Ferne begannen Sirenen zu heulen, die schnell näher kamen. Wenig später wurde das elektrisch gesteuerte Tor geöffnet. Noah schob Sloan sanft zur Seite, als zwei Streifenwagen mit blinkenden Blaulichtern in die Einfahrt einbogen.
35
Trotz ihres Schocks und ihrer Trauer mußte Sloan den Leuten vom Palm Beach Police Department Anerkennung zollen: Sie waren nicht nur effizient, sondern sie wußten auch genau, wie sie mit ihren reichen und verwöhnten Bürgern umgehen mußten, ohne ihnen auf den Schlips zu treten.
Schon wenige Minuten nachdem die ersten Streifenbeamten am Tatort erschienen waren, hatten sie sich ein Bild von dem Geschehen gemacht, die Hausbewohner vom Schauplatz des Verbrechens ferngehalten, damit sie nicht versehentlich Beweise vernichteten, und den Gerichtsmediziner des Verwaltungsbezirks Palm Beach benachrichtigt. Wenig später traf das Team der Kriminalpolizei ein, sicherte unverzüglich das Gelände ab und machte sich auf die Suche nach Fingerabdrücken oder weiteren Spuren, die der Mörder hinterlassen haben konnte. In der Zwischenzeit hatten zwei Kriminalbeamte bereits mit den Befragungen aller Anwesenden begonnen.
Die Köchin, die Haushälterin, der Butler und der Hausmeister wurden gebeten, im Speisezimmer zu warten. Die Mitglieder und Freunde der Familie hingegen wurden im Wohnzimmer plaziert, wo sie einen den Umständen entsprechenden Komfort genießen konnten und einigermaßen ihre Ruhe hatten. Da Gary Dishler zwischen diesen beiden Gruppen stand, wurde Carter gebeten, eine Entscheidung zu treffen, wo sein Assistent sich einfinden sollte, und er wählte das Wohnzimmer.
Captain Walter Hocklin war aus dem Bett geholt worden, um durch seine persönliche Anwesenheit sicherzustellen, daß Carter Reynolds und seine Familie keinen unnötigen Strapazen unterzogen wurden. Nicht nur im Haus selbst, sondern auf dem ganzen Gelände wimmelte es von Polizeibeamten, und inzwischen waren auch die Detectives Dennis Flynn und Andy Cagle eingetroffen, die mit der Einsatzleitung betraut worden waren.
Die tote Edith lag immer noch im Fernsehzimmer, und Sloan konnte an dem wiederholt aufblitzenden Lichtschein, der aus dem Zimmer drang, erkennen, daß man mit dem Fotografieren der Leiche beschäftigt war. Sie zuckte jedes Mal innerlich zusammen, wenn der Blitz von neuem aufleuchtete, und hoffte inständig, daß Paris ihn nicht bemerkte oder sich wenigstens seiner Bedeutung nicht bewußt war.
Während sie mit Noah, Carter und den anderen im Wohnzimmer saß, spürte sie nur ein dumpfes Gefühl von Zorn und Verzweiflung über das, was geschehen war. Die Detectives Flynn und Cagle hatten zunächst alle Anwesenden getrennt voneinander befragt, doch nach einer Besprechung mit ihrem Team im Fernsehzimmer teilten sie ihnen mit, daß sie einige der erhaltenen Informationen noch zu präzisieren
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