Farlander - Der Pfad des Kriegers - Buchanan, C: Farlander - Der Pfad des Kriegers - Farlander
Schiff geblieben; zwei weitere kümmerten sich um die zurückgelassenen Zele, einer hatte sich auf dem Weg ins Gebirge den Knöchel verstaucht. Diese Verluste waren geringer, als der Oberst erwartet hatte. Insgesamt waren ihm siebenundsiebzig Männer verblieben – nicht ganz vier Züge.
Dennoch machte sich der Oberst Sorgen. Er hatte sich schon Sorgen gemacht, noch bevor sie zu dieser eilig einberufenen Mission aufgebrochen waren. Dem Diplomaten zufolge würden sie sich mindestens fünfzig Rōschun gegenübersehen. Fünfzig Rō̄schun, die auf ihrem eigenen Gelände Leben und Heimat verteidigten. Seine Männer mochten die besten Kämpfer der ganzen Armee sein, aber dieses Kräfteverhältnis gefiel ihm trotzdem nicht.
Cassus hatte sich gefragt, warum die Matriarchin ihm nicht ein volles Bataillon zur Unterstützung mitgegeben hatte. Eine Mission wie diese wurde am besten langsam und mit einer möglichst großen Streitmacht durchgeführt. Aber er vermutete, dass die Bettlerkönige von Cheemhafen eine so große Zahl von Soldaten nicht im Land hätten haben wollen, egal wie viel Gold ihnen dafür geboten wurde.
Außerdem stimmten die zu Hause umlaufenden Gerüchte vielleicht. Es tat sich etwas in der Hauptstadt. Kompanien wurden aus den Überresten anderer Kompanien zusammengestellt, und Soldaten aus den ruhigeren Rändern des Reiches wurden nach Q’os gerufen. Die Gerüchteküche hatte immer wieder dasselbe gesagt, und Cassus glaubte, dass etwas daran war. Er hatte an mehr als nur einer Invasion teilgenommen.
Ché beendete die Untersuchung des Buschs. Er stand auf und schaute dem Oberst endlich in die Augen. Wieder spürte Cassus, wie er sich unter dem kalten und leeren Blick des jungen Mannes versteifte.
»Morgen früh also«, stimmte der Oberst ihm zu; er sprach um den Klumpen Teerkraut in seinem Mund herum.
Ché nickte und ging fort.
Cassus sah dem jungen Mann nach, der sich ein kleines Zelt abseits von den anderen errichtete und sein Gepäck darunter warf. Der Mann ließ sich im Schneidersitz vor seinem behelfsmäßigen Unterschlupf nieder und drehte das Gesicht dem letzten Tageslicht zu. Er hatte die Hände gefaltet und die Augen geschlossen.
Er sah aus wie einer dieser völlig verrückten Mönche des Dao.
Einige Soldaten bemerkten, was er tat; bereits auf dem Schiff war es ihnen nicht entgangen. Sie stießen sich an und machten leise höhnische Bemerkungen.
Er ist gefährlich , dachte Cassus. Ich möchte seinen Ärger nicht auf mich ziehen .
Der Oberst wandte sich von ihm ab und spuckte dabei ins Gras. Bald werden wir fünfzig von seiner Art gegenüberstehen .
Er füllte seine Lunge mit Bergluft und betrachtete die schneebedeckten Gipfel um das Lager herum. Er wusste, dass sie irgendwo da draußen waren, versteckt in einem Hochtal hinter ihren Klostermauern.
Überraschung , dachte er, als er noch einmal über seine Mission nachsann. Es wird alles vom Überraschungseffekt abhängen .
Nico erwachte mit einem Ruck.
In Raum flackerte das Gaslicht. Asch saß auf dem Boden, in seine Meditation vertieft, und hatte die Augen unter der Kapuze noch immer auf denselben Fleck an der Tür gerichtet. Nico rieb sich die müden Augen. Er wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte. Eine Stunde vielleicht?
Jemand beschwerte sich draußen auf dem Korridor lauthals über irgendetwas mit den sinnlosen Worten eines Betrunkenen.
Das war die einzige Warnung, die sie bekamen.
Die Tür wurde mit einem Knall gegen die Wand aufgestoßen, und eine Wolke aus Gipsstaub rieselte herunter. Nicos Körper verkrampfte sich unter dem plötzlichen Schock. Er öffnete den Mund, wollte vielleicht etwas rufen, war vielleicht auch nur verblüfft. Doch nun geschah etwas völlig Merkwürdiges. Die Zeit verlangsamte sich für ihn und blieb am Rande dieses ersten Ereignisses hängen.
Aus den Augenwinkeln sah er, wie Asch neben ihm nach seinem Schwert griff. Aber Nico wusste, dass Aschs Hand nichts als Leere vorfinden würde. Das Schwert war in einem Leinentuch unter dem Bett verstaut, wohin er es kurz nach seiner Rückkehr gelegt hatte. In der Tür sah Nico das weiße Gewoge von Akolyten, die hintereinander ins Zimmer huschten. Ihre Roben schienen mitten in der Bewegung festgefroren zu sein, wie ein Gemälde, dem die Falten und das Spiel von Licht und Schatten Tiefe verliehen. Die seltsamen Seidenmuster im Stoff schimmerten im Lampenschein. Er sah den nackten Stahl im Griff des ersten Mannes – wie eine Verlängerung seines Arms.
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