Farmer, Philip José - Flusswelt 05
und Tauben haben nicht die geringste Ahnung, warum sie eingesperrt sind. Sie wissen nicht, daß sie rund und fett werden sollen, um später gegessen zu werden. Und wir wissen nicht, warum Loga beseitigt wurde oder was man mit uns vorhat. Wir sind schlimmer dran als Kaninchen und Tauben. Sie sind wenigstens dumm, aber glücklich. Wir sind dumm und unglücklich.« »Sprich gefälligst nur für dich selbst!« sagte Nur. »Ich möchte die, die vielleicht noch nicht daran gedacht haben, gern darauf hinweisen, daß diese Liste hier möglicherweise unvollständig ist. Der Unbekannte hat womöglich gewisse Machtbefugnisse aus ihr gestrichen. Selbst wenn er es noch nicht getan hat, er kann fast jede Befugnis eliminieren, die er eliminieren will.«
Es folgte ein langes Schweigen. Der Chinese erhob sich, ging zu einem Konverter und bestellte ein großes Glas Roggenwhisky. Burton schnitt zwar eine Grimasse, sagte aber nichts. Es wäre sinnlos gewesen, und Li Pos Trotz hätte Burtons Autorität nur herabgesetzt.
Li Po nippte an dem Roggenwhisky, rülpste, um Zustimmung anzudeuten, und ging zu seinem Stuhl zurück. »Ich brauche eine Frau«, sagte er.
Burton hatte gedacht, Alice sei mittlerweile darüber hinweg, beim geringsten Anlaß zu erröten, aber die Viktorianerin in ihr war lange noch nicht gestorben.
»Du wirst dir auch weiterhin einen runterholen müssen«, sagte Burton. »Wir haben schon genug Probleme, ohne noch eine Frau wiederzubeleben, bei der du deine Lust ausleben kannst.«
Alices Gesicht wurde noch roter. Aphra Behn lachte.
»Es ist unnatürlich«, sagte Li Po. »Mein Yang braucht sein Yin.«
Burton lachte, weil >Yang< in einer westafrikanischen Sprache >menschliche Exkremente< bedeutete. Po fragte ihn, warum er lachte. Als Burton es ihm erklärte, lachte der Chinese laut auf.
»Na gut, wenn ich keine Frau haben kann, werde ich meine Begierde mit Körperertüchtigung vertreiben. Was hältst du davon, wenn wir ein Stündchen fechten, Degen oder Säbel?«
»Ich könnte es auch brauchen«, sagte Burton, »aber du bist betrunken. Du wärest kein Gegner für mich.«
Li Po behauptete laut und schrill, er würde Burton auch dann noch mit jeder Waffe schlagen, die er wählte, wenn er doppelt soviel getrunken hätte. Burton wandte sich von ihm ab, und der Chinese wankte zu seinem Sessel, ließ sich hineinfallen und fing an zu schnarchen. Frigate und Turpin trugen ihn zur Schlafzimmertür. Sie war jedoch mit Pos Codewort verschlossen, das die beiden Träger nicht kannten. Sie legten ihn auf den Korridorboden und kehrten in den großen Raum zurück.
»Wir werden uns alle bald wie Po benehmen, wenn wir hier bleiben müssen«, sagte Turpin. Er ging zu einem Konverter und bestellte ein großes Glas Gin mit einer Zitronenscheibe. Aphra, die sich das gleiche geben ließ, hob ihr Glas. »Ein Trinkspruch auf den Wahnsinn!« sagte sie. »Dies ist vielleicht ein Knast, aber es ist immer noch besser als Newgate.«
Sie wußte, wovon sie sprach; sie hatte zweimal im Schuldgefängnis gesessen.
Sie konnte sich ihre hochmütige Einstellung also erlauben, auch wenn sie nicht realistisch war. Sie hatte in De Marbot einen Liebhaber, mit dem sie glücklich war, und ebenso jeden Luxus (und noch viel mehr), den sie je auf Erden gehabt hatte. Bis auf die Freiheit. Dies jedoch störte die anpassungsfähige und fröhliche Frau im Augenblick noch nicht.
Die gewaltigen Möglichkeiten der Liste hielten einige von ihnen ab, ihre gefährliche Situation zu überdenken. Wo sie hätten prüfen sollen, was sie beeinträchtigte, überdachten sie, welche Möglichkeiten sie bot. Obwohl Burton ihre diesbezügliche Aufregung verstehen konnte, störte ihn ihr Mangel an Betroffenheit angesichts der Gefahren, die ja nun einmal hinter der nächsten Ecke auf sie warten konnten.
Dem Gesichtsausdruck der anderen nach zu urteilen, war Nur der einzige, der an den unbekannten Feind dachte. Burton verspürte den Drang, die anderen in den Hintern zu treten. Statt dessen klatschte er jedoch laut in die Hände und riß sie aus ihren Träumen.
»Schluß mit diesem Unsinn«, sagte er. »Die Lage ist ernst. Todernst. Wir müssen uns darauf konzentrieren, den Feind zu bekämpfen. Wenn wir ihn besiegt haben, könnt ihr soviel spielen, wie ihr wollt. Bis dahin… Der Unbekannte hat uns gegenüber einen großen Vorteil, da er den Computer besser nutzen kann als wir. Wenn wir jedoch in Erfahrung bringen können, wie wir ihn gegen ihn einsetzen müssen, wird er zu
Weitere Kostenlose Bücher