Farmer, Philip José - Flusswelt 05
verschiedene Welten. Liliputanerhaft, ja. Und doch groß genug für alle praktischen Zwecke, wenngleich ich die praktische Anwendbarkeit nicht verstehe.«
»Ich vermute, es sind… waren… Zufluchtsorte für den Rat«, sagte Burton. »So was wie… äh… Erholungsgebiete. Jeder schuf sich eine Welt nach seinen Wünschen, nach seinen eigenen temperamentsbedingten Neigungen, und zog sich dann und wann zur geistigen - und natürlich auch körperlichen - Erholung dorthin zurück.«
De Marbot hätte gern in jeden dieser gewaltigen Räume hineingeschaut, doch Burton sagte, dafür hätten sie später noch genug Zeit. Sie sollten besser mit ihrer Patrouille fortfahren.
Der Franzose öffnete den Mund, um etwas zu sagen. »Ja, ich weiß«, warf Burton ein. »Doch ich würde lieber so schnell wie möglich so viel wie möglich begutachten. Es ist besser, als sich vom Computer alles zeigen zu lassen, wenn wir uns in unseren Räumen räkeln. Woher wollen wir außerdem wissen, ob der Computer uns wirklich alles zeigt? Wenn der Schnark es will, kann er eine Auswahl treffen, ohne daß wir erkennen, daß dem so ist. Wir müssen tatsächlich überall gewesen sein. Wir werden eine Flugpatrouille einrichten, Vögeln gleich, und uns einen umfassenden Überblick verschaffen. Dann können wir uns die Zeit nehmen, uns auf Details zu konzentrieren.«
»Du verstehst mich falsch«, sagte De Marbot. »Ich wollte lediglich einen Kommentar über den Zustand meines Magens abgeben. Er beschwert sich über seine innere Leere.«
Sie flogen durch die Röhre im Zentrum der Etage zur nächsten Ebene, bewegten sich den Gang bis zur nächsten Tür entlang, öffneten sie und gingen hinein. Dahinter lag ein Raum, dessen einziges Mobiliar ein Wandkonverter war. De Marbot wählte zum Lunch escargots bourguignonne mit französischem Weißbrot und einem Glas Weißwein. Dreißig Sekunden später nahm er das Geschirr, das silberne Tablett, das Glas und die Bestecke entgegen. Seine blauen Augen weiteten sich vor Bewunderung, als er das köstliche Aroma roch. »Sacree mer-de! Auf der Erde hätte ich niemals eine solche Perfektion, eine solche Ekstase erleben können! Und doch müssen die Ethiker das Original sicherlich von einem Pariser Küchenchef erhalten und kopiert haben! Wie heißt dieses Genie nur? Ich würde ihn gern wiederbeleben, wenn auch nur, um ihm zu danken!«
»Eines Tages werde ich der Abwechslung halber mal eine schlecht bereitete Mahlzeit bestellen«, sagte Burton. »Findest du diese ganze Vorzüglichkeit und Perfektion nicht ermüdend? Jede Mahlzeit ist ein Triumph des Geschmacks!«
»Niemals!« sagte De Marbot. Er rollte mit den Augen, als er Burtons zusammengesetztes Mahl sah: Buttermilchkekse, in Sahne eingelegtes Junggeflügel und einen Humpen Dunkelbier.
»Barbarisch! Und ich dachte, du magst kein Bier!«
»Ich mag’s, wenn ich Schinken oder Jungvögel esse.«
»De gustibus non disputandum. Wer das gesagt hat, war ein Idiot.«
Ein Teil der Wand faltete sich, um einen Tisch zu bilden, und sie aßen.
»Delicieux!« rief De Marbot und schmatzte laut mit den Lippen.
Bis vor drei Wochen war er spindeldürr gewesen. Nun wurde sein Gesicht allmählich mondähnlich, und eine kleine Speckrolle hatte sich um seine Hüften gelegt.
»Ich muß unbedingt noch ein glace de viande versuchen«, sagte De Marbot.
»Jetzt?«
»Nein. Ich bin kein Schwein. Später. Heute Abend.«
Zum Dessert nahm der Franzose ein Feigensouffle und ein Glas Rotwein.
»Superb!«
Sie wuschen sich im Badezimmer die Hände und kehrten zu den Stühlen zurück. »Wir sollten diese Kalorien wegmarschieren«, sagte Burton.
»Wir werden sie vor dem Abendessen mit einer Fechtstunde abtrainieren.«
7
Die erhellten Hallen, die sie passierten, waren ein paar Sekunden zuvor noch dunkel gewesen. Wärmedetektoren in den Wänden reagierten auf ihre Körper und aktivierten Schalter, die das Licht vor ihnen ein- und hinter ihnen ausschalteten. Wegen dieser Vorrichtung wußte der Unbekannte wahrscheinlich genau, wo sie sich gerade befanden. Er brauchte den Computer nur anzuweisen, ihn mit Bildern der erhellten Gebiete zu versorgen. Doch er konnte seine gesamte Zeit nicht nur damit verbringen, die Bildschirme zu beobachten; einmal mußte er auch schlafen. Sollten die Bewohner des Turms jedoch irgendwie auf seine Spur stoßen, konnte er sich vom Computer wecken lassen.
Die beiden kamen einen vertikalen Schacht hinab und flogen in eine Halle. Auf halber Strecke hielten sie an und
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