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Fast ein bisschen Frühling - Capus, A: Fast ein bisschen Frühling

Fast ein bisschen Frühling - Capus, A: Fast ein bisschen Frühling

Titel: Fast ein bisschen Frühling - Capus, A: Fast ein bisschen Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Capus
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die gesamte Basler Polizei durch Kollektivalarm mobilisiert. Sämtliche dienstfreien Polizisten und Detektive werden in das Hauptquartier am Lohnhof befohlen und schwärmen von da in die Stadt aus. Die Grenzwächterschule im nahen Liestal stellt sich der Polizei zur Verfügung. Von Basel bis Belfort werden alle Grenzübergänge ins Elsass in Alarmzustand versetzt, auf französischer Seite rückt die Garde Mobile mit Stahlhelmen und Karabinern aus, am deutschen Rheinufer patrouilliert berittene Polizei, und die Reichswehr ist aufgeboten. Die Grenze ist auf einer Länge von fünfzig Kilometern hermetisch abgeriegelt.
     
    Ahnungslos verbringt Dorly Schupp den Samstagmorgen in der Schallplattenabteilung des Globus. Es herrscht ziemlich viel Betrieb. Wahrscheinlich sind Waldemar und Kurt jetzt im Zug unterwegs, irgendwo zwischen Freiburg und Frankfurt. Bestimmt hat Kurt die Bekanntschaft eines Mädchens gemacht und steht mit ihr draußen im Seitengang, während Waldemar an seinem Fensterplatz sitzt und ins Land hinausstarrt.
    Um elf Uhr übergibt Dorly die Kasse an die Mittagsvertretung und macht sich auf den Heimweg. Seit die Weihnachtszeit vorbei und die Mittagspause wieder länger ist, kocht die Mutter Mittagessen. Am Marktplatz steigt Dorly zuhinterst in die Straßenbahn. Im letzten Moment springt vorne beim Fahrer ein Zeitungsjunge auf.
    »Extrablatt! Polizistenmord an der Sperrstraße!«
    Dorly reckt den Hals. Links und rechts strecken die Fahrgäste Münzen in den Mittelgang, dann schlagen sie die Zeitung auf. Die Titelbuchstaben sind ungewöhnlich fett; auf diese Entfernung kann Dorly sie nicht lesen. In der Mitte des Blattes prangt ziemlich groß ein Bild. Der Zeitungsjunge verkauft links und rechts Zeitungen, immer abwechselnd links und rechts. Die fetten Lettern und das Bild kommen immer näher auf Dorly zu. Da sind zwei Köpfe auf dem Bild, zwei Männer, die schauen Dorly an in einer gewiss schon zwanzigfach gestaffelten Doppelreihe, immer größer werden die schwarzweißen Köpfe mit ihren nach hinten gekämmten Haaren und den lachenden Mündern, ein ganzer lachender Männerchor in Zweierkolonne, der Dorly entgegenkommt – und als Dorlys Vordermann das Extrablatt aufschlägt, kann sie über dessen Schulter hinweg auch die Bildunterschrift lesen: »Die Mörder.«
    Dorly steigt aus der Straßenbahn und geht zu Fuß nach Hause. »Ich dachte mir aber, es müsse sich um einen Irrtum handeln, denn eine solche Tat traute ich ihnen nicht zu. Als ich zu Hause anlangte, fand ich bereits ein Extrablatt vor, woraus ich dann ersehen musste, dass die beiden tatsächlich die Mörder sein müssen. Ich sagte zu meiner Mutter, ich betrachte es als meine Pflicht, der Polizei all mein sachbezügliches Wissen bekanntzugeben. Meine Mutter pflichtete mir bei, und ich stand eben im Begriff, das Nötige vorzukehren, als gerade Detektivkorporal Maritz vorfuhr und mich abholte.«
     
    Hans Maritz ist durch Zufall auf Dorly Schupp gestoßen. Er hat am Morgen die Runde durch die Restaurants und Hotels am Hauptbahnhof gemacht und den Kellnerinnen das Bild von Sandweg und Velte gezeigt. »Im Restaurant ›Markthalle‹ stellte ich fest, dass die zwei Mörder dem Wirt und sämtlichen Kellnerinnen als Gäste gut bekannt waren, da sie fast täglich in der ›Markthalle‹ gesessen hätten. Eine Kellnerin sagte weiter, dass ein Fräulein Schupp, Aushilfsverkäuferin im Globus, die aber das Wirtshaus nie betreten habe, noch besser in der Lage sei, Auskunft zu geben, da sie sich häufig mit den zwei Deutschen treffe.«
     
    Und so sitzt Dorly Schupp um zwölf Uhr mittags auf dem Polizeikommando und erzählt alles, was sie über Kurt Sandweg und Waldemar Velte weiß. »Bei mir war nie der Verdacht aufgekommen, die beiden könnten mit den Bankräubern identisch sein. Meine Mutter war weniger erstaunt; sie hatte immer geglaubt, es handle sich um Mädchenhändler. Es ist richtig, dass ich mit den beiden befreundet bin. Trotzdem macht es mir keine Gewissensbisse, der Polizei mitzuteilen, was ich über sie weiß. Ich lüge nicht und habe keine Geheimnisse. Wenn andere lügen, muss ich nicht mitlügen.«
     
    Als Dorly das Protokoll durchgelesen und unterschrieben hat, darf sie gehen. Sie tritt hinaus auf den Flur, in dem die Radio- und Zeitungsreporter auf Neuigkeiten warten. Die Luft ist schwer von Tabakrauch, feuchten Mänteln und halbverdautem Wurstbrot mit Bier. Keiner von den Reportern wird auf Dorly Schupp aufmerksam, denn sie alle sind heute

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