Fatal - Roman
und konnte sie nicht hören. Was tat sie Carol an? Wäre sie doch nie hierhergekommen!
»Ist das nicht eine traurige Geschichte?«, fragte Maura.
»Ob sie ihr Kind zurückbekommt? Was denken Sie?«
»Die Chancen sind gering, aber wir alle drücken ihr die Daumen. Wenn es jemand verdient hat, dann Carol.« Sie kamen zum Büro, Mauras Miene hellte sich auf. »Kommen Sie. Ich gebe Ihnen unser Infomaterial.«
Ellen folgte ihr, doch ihre Gedanken wanderten woandershin.
Brachte sie es fertig, Carol weiter auszuspionieren?
Und was war mit dem handfesten Beweis, den sie brauchte?
49
Von einer Abkühlung war am späten Nachmittag noch nichts zu spüren. Ellen folgte Carol durch die luxuriösen Vororte von Miami, als ihr Blackberry klingelte. Das Display zeigte die Zentralnummer der Zeitung an.
Marcelo!
»Hallo?« Aber er war es nicht, es war Sarah.
»Marcelo hat mir gesagt, dass du ein paar Tage freigenommen hast. Hör zu, ich will dich nicht stören. Ich möchte mich nur entschuldigen.«
»Geht schon in Ordnung«, sagte Ellen überrascht. Sarah schien tatsächlich das Büßergewand übergezogen zu haben.
»Ich habe wegen deines Artikels überreagiert. Als du in Ohnmacht gefallen bist, habe ich mir entsetzliche Vorwürfe gemacht.«
»Daran war nur meine Grippe schuld.«
»Dann ist zwischen uns alles wieder in Ordnung?«
»Natürlich.« Ellen wechselte die Spur, um Carol nicht aus den Augen zu verlieren.
»Du hast bestimmt mitgekriegt, dass wir alle über das Feuer schreiben müssen«, sagte Sarah in abfälligem Ton. »Na ja, man kann es sich eben nicht aussuchen.«
»Hör zu, Sarah, ich muss wieder ins Bett.«
»Dann gute Besserung und pass auf dich auf.«
»Danke. Bis bald.« Ellen legte auf und gab Gas, um noch über die Ampel zu kommen.
Carol bog in die Surfside Lane ein. Ellen fuhr bis zur nächsten Straße und parkte wieder an derselben Stelle wie am Vormittag. Von hier aus konnte sie sehen, ob Carol noch einmal das Haus verließ. Sie öffnete die Seitenfenster und stellte den Motor ab. Wenn sie den Kopf aus dem Fenster streckte, konnte sie direkt in Carols Einfahrt sehen. Heute Abend waren mehr Leute unterwegs als am Morgen. Aber niemand schien sie zu bemerken. Ein Mann, der wie ein Model aussah, joggte die Straße hinunter, zwei Rollerblader bretterten an ihr vorbei.
Das Handy klingelte wieder. Der Anruf kam von zu Hause. »Hallo, Con, wie läuft’s?«
»Wir basteln ein Nudelbild nach dem anderen.«
»Davon wird man aber nicht satt.« Ellen lächelte.
»Ich weiß nicht, ob es wichtig ist, aber vor kurzem hat jemand hier angerufen. Eine Sarah. Ist das jemand von der Zeitung oder jemand, über den du schreibst?«
»Sie arbeitet bei der Zeitung. Wann war das?«
»Vor ungefähr einer halben Stunde. Will ist drangegangen. Er hat ihr gesagt, dass du nicht zu Hause bist.«
»Was?«
»Tut mir leid. Er war schneller am Telefon als ich. Er hat wahrscheinlich gedacht, dass du es bist. Er hat mit ihr gesprochen und gleich wieder aufgelegt.«
»Will hat ihr erzählt, dass ich nicht da bin? Was hat er genau gesagt?«
»Dass du mit dem Flugzeug zum Arbeiten geflogen bist.«
»O nein!« Ellen rieb sich die Schweißperlen von der Stirn. »Connie, das war nicht gut.«
»Aber warum darf sie das nicht wissen?«
»Mein Redakteur wollte den Auftrag geheim halten. Sarah ist in letzter Zeit ziemlich neidisch auf mich.«
»Mist.«
Ellen überlegte, was zu tun war. Sarah hatte sie beim Lügen erwischt. Jetzt war ihr Job wohl nicht mehr zu retten.
»Will will mit dir reden, ist das okay?«
»Aber klar.« Ellen hörte ihn nach ihr rufen. Er musste direkt neben dem Telefon stehen.
»Mama, Mama! Wann kommst du?«
»Bald, mein Schatz.« Als sie seine Stimme hörte, spürte sie ein Stechen in der Brust. Ihr Blick war immer noch auf das Haus der Bravermans gerichtet. »Erzähl mir von dem Nudelbild, das du gemacht hast.«
»Ich hab keine Zeit. Komm bald.«
»Ich liebe dich«, rief sie, aber da war Connie schon wieder am Apparat.
»Wir essen bald zu Abend. Ist es sehr schlimm?«
»Lass dir deswegen keine grauen Haare wachsen. Aber sorg dafür, dass er nicht noch mehr Staatsgeheimnisse ausplaudert.«
»Mach ich, El. Tut mir leid.«
»Bis bald.« Ellen legte auf und rief sofort Marcelo an. Jetzt ging es um Schadensbegrenzung. Ungeduldig wartete sie darauf, dass die Verbindung zustande kam. Ein Jogger trabte an ihr vorbei. Er hatte auf seiner Schulter die Buchstaben EL eintätowiert, was sicher ein Zufall
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