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Faunblut

Faunblut

Titel: Faunblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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nur wie einen Widerhall in ihrem Kopf.
    »Der Prinz?« Vor Entsetzen brachte Jade nicht mehr als ein heiseres Wispern heraus. »Der Winterprinz?«
    Ihr Spiegelbild nickte.
    »Man sagt, er sei tot«, flüsterte Jade. »Ermordet in der toten Stadt.«
    Doch das Mädchen schüttelte den Kopf. »Lebt!« Ihre Stimme war Rauschen, Schwall um Schwall floss das Wasser aus dem vor Anstrengung verzerrten Mund. »… Kein Körper … kein Blut …«
    Sie verstummte wieder.
    »Du bist ein Echo, nicht wahr?«, flüsterte Jade. Das gläserne Gesicht verzerrte sich wieder, und Jade vergaß alles um sich herum, sogar ihren Schreck, und wollte nur noch eines: das Mädchen berühren. Als wäre ein Damm gebrochen, überschwemmte sie plötzlich eine wilde Zärtlichkeit für das Wesen, das ihr gegenübersaß, die Sehnsucht danach, sie in die Arme zu nehmen, in ihrem Leid zu trösten und zu wiegen wie ein Kind.
    »Es tut mir so leid«, flüsterte sie, ohne zu wissen, was ihre Worte bedeuten sollten.
    Gepolter ertönte draußen, ein abgehackter Schrei. Im selben Augenblick warf sich etwas Schweres gegen die Badezimmertür. Jade schrie auf und kauerte sich in den äußersten Winkel der Wanne. Da war Tams Stimme – und ein Kratzen an der Tür. Jay! , war alles, was Jade in dieser panikdurchleuchteten Sekunde noch denken konnte. Die Tür brach im selben Moment, als das Mädchen in das Wasser zurückfiel. Kurz bevor ein Tropfenschauer die Kerze auslöschte, erhaschte Jade im Spiegel einen flüchtigen Blick auf eine Reihe blitzender Fänge. Jay griff sie an.
    Jade spürte kaum, wie sie aus der Wanne sprang und ausrutschte. Ein grober Stoß erwischte sie und sie schrie auf und stürzte. Das Bad war glatt wie Eis, kalte Luft traf ihre Haut, das Splittern des Spiegels zerschellte an ihren Ohren. Jay schnellte auf sie zu, sie konnte es spüren. Dann ein weiterer Stoß, ein stechender Schmerz, der durch ihren Oberarm schoss. Es war nicht mehr sie selbst, die nun handelte. Jade saß in einem Winkel ihres Bewusstseins, zusammengerollt, wimmernd vor Panik. Das, was jetzt reagierte, war reiner Überlebenswille, Reflexe, schneller als Gedanken. Sie dachte nicht mehr, sie handelte nur noch wie ein Tier, das um sein Leben kämpfte. Sie brüllte und trat zu, traf etwas erschreckend Nahes. Vielleicht Rippen? Heißer Atem streifte ihre Kehle. Sie duckte sich, warf sich zur Seite und hörte Zähne ins Leere klacken – Schmerz an ihrer Hand, eine Scherbe, die sie hochriss. Wasser schwappte, als die Wannenfüße mit einem metallischen Kreischen über die Fliesen geschoben wurden. Tam donnerte: »Zurück!«
    Schleifen und Handgemenge. Jade kroch, so weit sie konnte, hinter die metallene Wanne, die Scherbe wie einen Dolch in der Hand. Sie wusste nicht, wie lange sie so saß, eingehüllt in Dunkelheit, entschlossen, jeden zu töten, der in ihre Nähe kam. Dann ein schwaches, schwankendes Licht, das sofort wieder verlosch – sich entfernende Schritte, Stille. Er ist weg , dachte Jade benommen. Die Scherbe fiel ihr aus der Hand. Und dann war da nur noch Schwärze.
    *
    »Jade!« Jakubs Stimme, die aus weiter Ferne zu ihr drang, bebte. »Jade, sieh mich an!«
    Raue Hände umfassten ihr Gesicht und sie öffnete die Augen.
    »Sie muss im Fluss gewesen sein.« Das war Tams Stimme. »Ihre Kleider sind nass und es hängt Tang daran.«
    »Sag ihm, dass er verschwinden soll!«, flüsterte Jade.
    Ein schwankendes Licht schälte Jakubs erleichterte Züge aus dem Dunkel. »Dem Styx und allen Geistern der Wila sei Dank!«, stieß er aus tiefster Seele hervor. Er riss sich die Jacke von den Schultern und legte sie über Jade. Dann zog er sie in seine Arme.
    Und Jade klammerte sich an seinen Hals wie eine Ertrinkende. Für diesen Moment war sie wieder ein Kind und ihr Vater hob sie aus der Teertonne und trug sie aus der Zerstörung in die Sicherheit.
    Tam stand neben der Tür. Seine Miene war ausdruckslos. »Halte dich vom Bankettsaal fern«, sagte er. »Ich weiß nicht, ob ich das nächste Mal rechtzeitig da bin, um dein Leben zu retten.«
    Jakubs Griff verhärtete sich. »Komm du mit deiner Bestie noch einmal in ihre Nähe und du lernst mich richtig kennen!«, herrschte er Tam an.
    Der Nordländer lächelte nur verächtlich. »Setz dein Hotel besser nicht aufs Spiel«, sagte er mit diesem melodischen, freundlichen Tonfall, den Jade inzwischen an ihm hasste. Dann drehte er sich um und ging.
    *
    Es war lange her, seit Jade in Jakubs Quartier gewesen war. Ihr Vater hatte die

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