Feentod
Badewasser. Sie hielt die Luft an und lieà ihren Kopf unter Wasser gleiten. Als sie wieder auftauchte, blieb ihr vor Schreck fast das Herz stehen. Jemand hatte die Tür zum Badezimmer aufgerissen.
»Heli!«, schrie Noraya, als sie einen Bruchteil später ihre Schwester erkannte. Die schien sich nicht weniger doll erschreckt zu haben. Ihrem Mund entwich ein hoher Quietschton.
»Du? Warum bist du schon da? Hattest du etwa Streit mit Alina?«
»Kein Streit. Ich habe es mir nur anders überlegt. Nächte auf harten Iso-Matten sind echt nicht mein Ding!«, log Noraya.
»Aber hat Alina denn keine Gästematratze?«, wunderte sich Helia. Noraya biss sich auf die Lippen. Mist, sie hatte Heli ja erzählt, dass sie übers Wochenende bei ihrer besten Freundin übernachten würde.
»Alinas Gästematratze ist kaputt. Und jetzt lass mich hier mal in Ruhe meine Haare waschen«, wiegelte sie ab. Ich muss wirklich mehr aufpassen, wem ich was sage, ermahnte sie sich.
Als Noraya ein paar Minuten später im kuscheligen Bademantel und mit Handtuchturban auf dem Kopf in ihr Zimmer trat, erwartete sie bereits ihre Mutter.
»Was ist denn passiert?«, fragte sie mit sorgenvoller Miene. »War euer Konzert nicht gut?«
»Alles bestens«, behauptete Noraya erneut.
»Aber warum bist du dann schon wieder zu Hause?«
»Weil â¦Â« Noraya stockte. Die Mutter wusste also noch nichts von dem schrecklichen Unfall. »Es ist etwas passiert«, begann sie in leisem Ton. Nicht, dass Helia am Ende in der Tür stand und lauschte. »Da ist ein Junge verunglückt. Gestern Nacht. Und jetzt haben sie die Konzerte erst einmal abgebrochen.«
»Wie schrecklich. Da war doch im letzten Jahr schon dieser tragische Todesfall!«
»Ganz genau. Und der Junge, der jetzt im Krankenhaus liegt, ist auch dort abgestürzt. Exakt an derselben Stelle! Das ist irgendwie unheimlich.«
»Wie schrecklich«, stöhnte Mama und zog Noraya neben sich aufs Bett. Augenblick spürte sie, wie die Anspannung von ihr abwich. Der Druck um ihre Brust lieà nach.
»Ja, es ist schrecklich«, schluchzte sie leise und kuschelte sich in den Arm ihrer Mutter. Sie war so froh, dass sie endlich alles erzählen konnte.
»Ich habe diesen Jungen ein paar Stunden, bevor es passiert ist, kennengelernt. Er ist der Sänger einer bekannten Band. Er heiÃt Faris. Und ist supernett.« Sie schluckte. »Er hat mich bis zum Zeltplatz gebracht. Und danachâ¦Â« Wieder wurde ihr ganz übel bei dem Gedanken, sie könnte vielleicht die Letzte gewesen sein, mit der Faris vor seinem Sturz geredet hatte.
»Das ist wirklich furchtbar.« Noraya lehnte sich dankbar an ihre Mutter. Ein paar Tränen rannen ihr noch über die Wangen. Die Anspannung der letzten Stunden löste sich immer mehr. Nur der letzte Satz ihrer Mutter bremste Norayas Erleichterung etwas.
»Ich hoffe nur, dass dein Vater von alldem nichts mitbekommt!«
In der Tagesschau wurde nicht über den Unfall auf dem Festival berichtet. Weil Noraya darauf brannte, mehr über Farisâ Schicksal zu erfahren, suchte sie in der Mediathek des Regionalfernsehens nach Hinweisen. SchlieÃlich fand sie einen Beitrag über das tragische Ereignis. Nach einem kurzen Video vom Tatort wurde ein Foto von Nick eingeblendet, mit dem Hinweis, dass er vor einem Jahr an derselben Stelle ums Leben gekommen war. Noraya drückte auf die Pausenfunktion, um Nick eingehend zu betrachten. Der schmale Junge, der viel jünger aussah als 18, lächelte schief in die Kamera. Irgendwie wirkte er sehr zerbrechlich. Noraya war sich sicher, dass sie ihn noch nie vorher gesehen hatte, aber sein verhaltenes Lachen erinnerte sie an jemanden. Nachdem der Beitrag zu Ende war, durchforstete Noraya das Netz weiter nach Nachrichten zu dem aktuellen Vorfall. Ãberall ging man von einem Unfall aus, Neuigkeiten über Farisâ Zustand fand sie jedoch keine. Wenigstens konnte sie herausbekommen, dass sie ihn in die Uniklinik eingeliefert hatten. Frustriert griff Noraya nach ihrem Handy. Vielleicht konnten sie ja ein paar Fotos vom Festival auf andere Gedanken bringen. Was brachte es, wenn sie sich weiter verrückt machte. Das half weder dem armen Faris noch ihr selbst. Das grüne Lämpchen blinkte, eine SMS. Von Alina!
Hallo SüÃe! Schade, dass du nicht geblieben bist. Ist total schön hier. Kati ist auch wieder da. Vielleicht
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