Feentod
staunst du, was? Mich darf man nicht unterschätzen. Ich kenne alle Gänge hier. Selbst die, die nicht öffentlich zugänglich sind!«
»Was willst du?« Norayas Verzweiflung war nun un-überhörbar. Sie hatte keine Kraft mehr, sie zu verbergen. Ihr ganzer Körper fühlte sich wie gläsern an â für Hagen würde es nun ein Leichtes sein, ihm einen Sprung zuzufügen oder ihn zu zerbrechen. Sie spürte es kaum, als Hagen ihr jetzt einen Kuss auf die Lippen drückte, als seine Hände über ihren Körper glitten. Sie lieà es einfach geschehen.
»Na siehst du, Nora, du willst es ja auch«, hörte sie von ferne Hagens Stimme. Es war nicht so, dass sie ihn undeutlich wahrnahm. Nein. Jedes einzelne seiner Worte hörte und verstand sie ganz genau. Aber es hatte in gewisser Weise nichts mit ihr zu tun.
»Ich verrate dir jetzt, wie es weitergehen wird. Du und ich, wir gehören zusammen. Nichts darf mehr zwischen uns kommen. Ich spüre, dass du das jetzt endlich auch begreifst. Du kannst dich nicht dagegen wehren. Nur leider kommt das etwas zu spät.«
Sie öffnete die Augen und sah Hagen an. Sein Blick erinnerte sie an ihren Vater. So guckt Papa auch, wenn er nur mein Bestes will, dachte sie und musste müde lächeln.
»Ich war so wütend, als ich dich und diesen Schönling gesehen habe! Wenn du den mit ins Zelt genommen hättest, wäre ich wahrscheinlich total ausgerastet. Aber du hast ihn weggeschickt, und das hat mir gezeigt, dass du dich aufsparen willst. Für mich. Ich wollte ihm das sagen. Aber der hat nur gesagt, hau ab, mit Besoffenen diskutiere ich nicht, und ist weitergelaufen. Ich hab ihn festgehalten und ihm noch einmal gesagt, dass du meine Frau bist. Und er hat nicht gehört. Nur gelacht! Da habe ich ihm in die Eier getreten. Ich habe ihn nicht aufstehen lassen. Deshalb war er völlig auÃer sich. Hat sich total aufgeführt. Wir haben gekämpft und dann ist er gefallen.«
»Das war ein Unfall«, flüsterte Noraya und Hagen nickte.
»Du willst doch nicht, dass die mich deshalb einsperren, oder?«
Noraya schüttelte müde den Kopf. Vielleicht ist das alles nur ein Traum, dachte sie.
»Mein Plan sieht so aus: Du wirst aussagen, dass du diejenige warst, die Faris gestoÃen hat. Weil er über dich hergefallen ist. Er wollte dich vergewaltigen. Und ich bin dir zu Hilfe gekommen. Dabei ist er im Handgemenge von der Mauer gestürzt. Wir haben uns nicht an die Polizei gewandt, weil du solche Angst vor deinem Vater hast.« Er nahm ihre Hand und drückte sie an seinen Mund.
»Ja, so machen wir das«, nickte Noraya bestätigend und langsam strömte wieder Leben in ihren Glaskörper. Das fühlte sich nicht gut an, aber sie riss sich mit aller Macht zusammen. Ein Funken Hoffnung keimte in ihr auf. Seine Botschaft lautete: Nur nicht widersprechen!
Hagen streichelte ihr Gesicht und schien nachzudenken. Noraya spürte die Gänsehaut, die ihm seine Hände im Nacken, an den Armen und auf der Kopfhaut verursachten. Aber sie hielt still.
Plötzlich stockte er. Noraya hatte es auch gehört. Da drauÃen war jemand, der nach ihr rief.
»Noraya!« Staff stand auf dem halbrunden Platz vor dem römischen Grabmal und schrie gegen den Wind an. Die letzten Regenwolken waren von den starken Böen weggetrieben worden und nun zeigte sich ein sternenklarer Himmel. Staff rief mehrmals, aber er bekam keine Antwort. Unruhig lief er noch einmal das Gelände ab, ging sogar zu dem Ort, an dem Faris hinabgestürzt war. In seiner Verzweiflung beugte er sich über die Mauer und rief Norayas Namen. Er zückte die kleine LED-Lampe, die an seinem Schlüsselbund befestigt war, und leuchtete in die Dunkelheit hinab. Erleichtert stellte er fest, dass niemand im Graben lag. Stattdessen erkannte er einen Polizeiwagen, der geradewegs zur Zitadelle heraufgefahren kam.
Eilig lief er Kommissar Blume entgegen. In seiner Sorge hatte er ihn vor einigen Minuten alarmiert. Mit dem Kommissar stiegen zwei Uniformierte und ein blondes Mädchen aus dem Auto. Alina sah ganz anders aus, als Staff sie sich vorgestellt hatte. Ungeschminkt und in ihrem Jogginganzug wirkte sie ziemlich jung.
»Alina sagt, dass Hagen Schlüssel für die Gitter am Eingang hat. Meine Kollegen und ich werden alle Gänge überprüfen. Versuchen Sie bitte weiter, Noraya auf ihrem Handy oder zu Hause zu
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