Feentod
auf einen Stuhl gesetzt und ergriff ihre Hand. Seine Haut war weich und warm.
»Seit âner Weile.«
»Und warum hast du das nicht uns, deinen Eltern, erzählt?« Papas Stimme zitterte.
Noraya zog ihre Hand weg. »Weil ich Angst hatte.«
»Aber du weiÃt doch, ich hätte dir geholfen!«
»Ja, Papa. Aber genau davor hatte ich Angst. Vor deiner Hilfe. Du hättest alles kaputt gemacht.«
Helia schnappte hörbar nach Luft. Mama stand am Fenster und schaute hinaus. Noraya wusste, dass sie nun mit der ganzen Wahrheit herausrücken musste.
»Ich wurde von Hagen erpresst, weil ich in einer Band singe. Das tue ich schon seit einem knappen Jahr. Und Hagen hat gewusst, dass ich das hinter deinem Rücken tue. Und er wusste auch, dass ich trotz deines Verbots auf dem Festival übernachtet habe. Er hat mir nachgestellt und Dinge von mir verlangt. Wenn ich ihm nicht gehorcht hätte, dann hätte er dir von alldem erzählt«, sie stockte.
»Ich hatte mehr Angst vor dir als vor seinen ekelhaften Forderungen. Das hat er gewusst, weil er sich vorher an Alina rangemacht hat, damit er alles über mich erfährt.« Nur mit brüchiger Stimme kamen Noraya die Worte über die trockenen Lippen. Immer wieder musste sie sich räuspern, aber sie sprach weiter. Trotz ihrer Angst tat es gut, endlich alles loszuwerden.
»Papa. Ich bin nicht die Tochter, die du haben willst. Mein Leben läuft ganz anders, als du glaubst. Ich kann nicht anders.« Die Tränen, die sie schon die ganze Zeit heià hinter ihren Augen gespürt hatte, liefen ihre Wangen herab.
»Was für eine Band?«, fragte Herr Al Ibi tonlos.
»Engelhauch heiÃt sie. Vale spielt auch mit. Und noch drei andere.«
»Echt jetzt?« Helia beugte sich mit groÃen Augen vor. »Dann hatte Johanna doch recht. Die hat nämlich behauptet, sie hätte dich als Sängerin bei einer Band gesehen. Auf dem Festival. Und du wärst total anders gewesen als sonst! Ich hab ihr gesagt, dass sie dich mit jemand verwechselt haben muss.«
»Du trittst auf Festivals auf? Hast du das gewusst«, wandte sich Norayas Vater an seine Frau.
»Ja«, sagte sie und trat zurück an Norayas Bett. »Ich erlaube Noraya so einiges, was du niemals erlauben würdest.«
»Und das Resultat haben wir ja jetzt!« Papa deutete auf Noraya. »Ein Kind, das fast ermordet worden wäre. Von einem Kerl, der sie begehrt hat. Und warum? Weil sie sich vor wildfremden Leuten auf Bühnen präsentiert und ihren Vater hintergeht.« Papas Stimme war immer lauter geworden. Seine Augen hatten sich verdunkelt und sein Mund war nur mehr ein gerader Strich.
Noraya lag mit geschlossenen Augen auf dem Rücken. Sie wollte das Gesicht ihres Vaters nicht sehen. In Sturzbächen liefen ihr die Tränen übers Gesicht. Der dumpfe Schmerz hinter ihrer Stirn wuchs so stark an, dass sie nicht mehr klar denken konnte.
»Was ist denn hier los?«, erklang eine fremde Stimme von der Tür. »So geht das nicht. Ihre Tochter hat eine schwere Gehirnerschütterung. Sie braucht Ruhe.«
Noraya blinzelte und erkannte schemenhaft, wie eine Krankenschwester ihren Vater zur Tür herausschob. Helia hatte ihre Arme um Mama geschlungen und schluchzte leise. Auch sie wurden von der resoluten Schwester aus dem Zimmer gewunken. Sie verabreichte Noraya eine Tablette und ein Glas Wasser, stellte das Kopfteil ihres Bettes nach unten und zog den Vorhang zu.
»Und wenn du wieder wach bist, darf der junge Mann zu dir, der schon seit Stunden drauÃen wartet«, raunte die Schwester ihr zum Abschied zu. Noraya nickte dankbar und schlief im nächsten Augenblick ein.
Als sie wieder aufwachte, dämmerte es drauÃen bereits. Dieses Mal wusste sie sofort, wo sie war. Ein Niesen, das aus der Ecke des Zimmers kam, lieà sie kurz hochschrecken.
»Gesundheit«, sagte Noraya in den Raum hinein und musste lächeln. Sie wusste, wer da saÃ.
»Hey, du bist wach!« Staff war mit zwei Schritten an ihrem Bett. Behutsam strich er ihr über die Wange. Dann beugte er sich herab und hauchte ihr einen federleichten Kuss auf die Lippen. »Bist du okay?«
Noraya nickte. Sie schaute ihm unverwandt in die Augen, unendlich glücklich, ihn zu sehen. »WeiÃt du, wie man dieses Kopfteil hier hochmacht?«
Staff lächelte und verstellte es mit zwei Handgriffen. Dann setzte er sich zu ihr aufs Bett. Sie zog
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