Fehlfunktion - Warum Frischhaltefolie nie gerade abreißt und andere Alltagsärgernisse
Linguistin Catherine Badras, Leiterin des Studiengangs Technikkommunikation an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Zürich, beobachtet, dass »die Qualität der Bedienungsanleitungen für Konsumgüter in den letzten Jahrzehnten generell eher zugenommen hat«. Heute würden nicht mehr Ingenieure nebenher Anleitungen schreiben, das sei inzwischen ein Vollzeitjob für Fachkräfte. 70.000 Angestellte schreiben laut dem Fachverband Tekom in Deutschland hauptberuflich Technikdokumentation.
Ein wenig geholfen hat das schon. Vor 20 Jahren fanden die Autoren des Fachmagazins Tekom-Nachrichten für ihren Artikel über »Gebrechanleitungen« in Bedienungsanweisungen noch Formulierungen wie diese:
• »Zeiger auswählbar durch das Eigentümers Operation. - Drückt auf den Knopf Set um die gespalte Zeit zu fassen, wenn sie Stille läuft innerlich.« (aus der Anleitung einer Digitaluhr)
• »Setzen sie das stereo Kopfphon in Kopfphon Wagenwinde ein, die Macht ist an, sonst ist die Macht ab.« (aus dem Handbuch des damals angeblich kleinsten Radios der Welt)
• »Befestigen Sie Teil F an Teil E. Versammeln Sie alle drei Beine. Befestigen Sie versammelte Beine an C-3 Unterpfahl. Verbrauchen Sie zwei Höhlen bei ES und eine Höhle bei FS.« (aus der Aufbauanleitung für einen Garderobenständer)
• »Wenn das Wetter kalt ist, wird die Puff Unterlage sich langsam puffen.« (aus dem Handbuch einer Luftmatratze)
Die Zeit solcher Übersetzungen neigt sich dem Ende entgegen, und dieses Computer-Deutsch liest man heute eher in Spammails. Sogar günstige Geräte haben nun (meistens) zumindest grammatikalisch (größtenteils) korrekte Anleitungen. Das macht sie aber nicht unbedingt verständlicher.
So erklärt zum Beispiel eine Bedienungsanleitung von T-Online das Verbinden eines PCs mit einem W-Lan-Router mit dem Hinweis, man definiere ein drahtloses Netzwerk, indem man »allen Geräten eine identische SSID« zuweise. Zu beachten habe man dabei, dass am »Speedport W 700V« eine »individuelle SSID und die Verschlüsselung WPA/WPA2 mit Pre-Shared Key voreingestellt« sind. Man müsse auch prüfen, ob der eigene W-Lan-Adapter eine »WPA2-Verschlüsselung unterstützt«. Dies sei »in der Bedienungsanleitung des W-Lan-Adapters beschrieben«. Hoffentlich. Vielleicht ist es da einfacher erklärt. Denn die meisten Menschen, die im Handbuch nachlesen müssen, wie man Router und Rechner drahtlos verbindet, werden mit SSID und Pre-Shared Key wenig anfangen können. Natürlich kann ein Router-Handbuch dem Laien nicht die Grundlagen von Betriebssystem und Netzwerktechnik erklären - aber Kenntnis von Verschlüsselungsmodi wie WPA oder WEP kann man nicht voraussetzen.
Das tun schlechte Handbücher, findet Kommunikationswissenschaftler Clemens Schwender von der Hochschule für Management und Kommunikation in Potsdam, der zur Geschichte der Gebrauchsanweisung geforscht hat. Seine Einschätzung: »Es wird zu viel Wissen vorausgesetzt. Diejenigen, die das Gerät beschreiben, verstehen es offensichtlich. Und sie können sich dann nicht mehr in die hineinversetzen, die es nicht verstehen.«
Ein schönes Beispiel für Betriebsblindheit liefert der Heimelektronikkonzern Toshiba in seiner Anleitung für den LCD-Fernseher 32C3030, die sogar Technikredakteure in den Wahnsinn treibt. Die Anleitung beschreibt auf Seite zehn wunderbar detailliert, wie man eine »Erstmalige Sendereinstellung am digitalen Fernsehgerät« zu erledigen hat. Schritt-für-Schritt-Anleitung, Fotos, Illustrationen - alles wunderbar.
Die automatisch eingestellten Sender sieht man trotzdem nicht. Auch wenn man alle Anweisungen auf der wunderbaren Seite zehn wieder und wieder befolgt - kein Bild. Warum, steht auf Seite sieben, in einer Randnotiz zu der Erklärung »Wahl des Eingangs für externe Quelle« auf Seite sechs: »Um das jeweilige externe Gerät wieder aufzurufen, drücken Sie die Taste SYMBOL. Mit dieser Taste können Sie zwischen DTV, EXT1, EXT2, EXT3C, HDMI1, HDMI2, PC oder ATV umschalten.«
Tja: Wer die automatisch eingestellten Digitalsender auch sehen will, muss vorher ganz manuell den Fernseher auf DTV umschalten. Das ist völlig logisch - nur sollte man das Laien vielleicht doch auch im Kapitel zur »erstmaligen Sendereinstellung« erklären.
Solche Erklärmacken in Anleitungen für komplexe Geräte (und das sind Fernseher heute) kann man beim Vorabtest bemerken. Für den reicht die Zeit aber nicht immer, wie die Linguistin Badras weiß: »Die
Weitere Kostenlose Bücher