Feind der Familie (Rex Corda Nova) (German Edition)
runzelte die Stirn.
»Eine Rebellengruppe benutzen, um Ghavani zu befreien, ohne unsere Agenten zu gefährden? Dazu müßten wir Kontakt finden. Das dürfte schwer sein. Die orathonische Abwehr hätte die Rebellen längst zerschlagen, wenn sie wüßte, wo ihr Versteck ist - und es ist ihr Gebiet, da sind sie uns im Vorteil.«
Galto nickte bekümmert. »Es war nur eine Idee...«
»Schon gut. Behalten wir diese Rebellen im Auge. Wenn etwas daraus wird, können wir uns immer noch bemühen. Sonst noch etwas?«
»Nein«, erwiderte Galto knapp und wandte sich ab. Javan war bereits wieder in die aktuellen Mitteilungen vertieft. Er bemerkte nicht, daß sein Vorgesetzter dem dünnen Dossier über die neue Rebellengruppe seine besondere Aufmerksamkeit schenkte.
*
Obgleich sich der durchschnittliche Orathone das sicher anders vorstellte, war das Arbeitszimmer des Moga Agelon - nicht der pompöse Raum, der für gestellte ›Arbeitsszenen‹ für die Propaganda genutzt wurde, sondern das ›echte‹ Arbeitszimmer - ausgesprochen schlicht und funktional eingerichtet. Es war schmucklos, und der größte Luxus bestand aus einem sehr bequemen Sessel, in dem der Herr des Orathonischen Reiches saß, um die Arbeit zu erledigen, die die Lenkung eines gigantischen Sternenreiches nun einmal unausweichlich mit sich brachte.
An der Wand hing allein ein überlebensgroßes Porträtbild des Erton Agelon, des Kommandanten des Sublicht-Kolonieraumschiffes H ORGAAN , mit dem damals nach langem Tiefschlaf die ersten Orathonen auf Khara gelandet waren - und dann, in der Konsequenz, erster Leiter der stetig wachsenden Kolonie bis zu seinem Tode. Damals, vor vielen Tausend Jahren, war die Keimzelle des Reiches entstanden, dem Moga heute vorstand, und mit ihm die FAMILIE, die sich zum größten Teil aus Nachkommen jener ersten Kolonistenfamilien rekrutierte.
In respektvoller Entfernung von Moga stand jemand, der nicht nur kein Mitglied der FAMILIE war, sondern auch niemals eine Chance haben würde, eines zu werden.
Telmon Haladil war nicht einmal Orathone, er war Tzatike, Mitglied eines kleinen, schon vor Hunderten von Jahren unterworfenen Hilfsvolkes, das sich vor allem im administrativen Bereich des Reiches bewährt hatte und zu dessen Kontrolle nicht einmal mehr semibiotische Konduktoren notwendig waren: Tzatiken fand man in den Verwaltungen aller eroberten Sektoren, sie galten als zuverlässig und loyal und hatten sich ihre Nische in der Struktur des Reiches geschaffen, mit der sie zufrieden waren. Moga umgab sich gerne mit Beratern und Helfern aus treuen Hilfsvölkern, er brachte ihnen oft mehr Vertrauen entgegen als den intriganten Mitgliedern der FAMILIE, denen er einflußreiche Positionen zugestehen mußte, um selbst an der Macht bleiben zu können.
Telmon Haladil war nicht irgendein Getreuer, er war der Leiter der FAMILIEninvestigatur, einer kleinen Behörde, die direkt Moga unterstand und nur eine einzige Aufgabe hatte: Verfehlungen von FAMILIEnmitgliedern nachzugehen und entsprechende Gerichtsverfahren vorzubereiten - alles diskret, alles geheim und ohne Aufsehen, denn nach außen hin wurde das Bild der allwissenden, moralisch vom Rest des Volkes abgehobenen, tadellosen und perfekten FAMILIE gepflegt, das zum Nimbus und zur Grundlage ihrer Herrschaft gehörte. Doch wer einmal in die inneren Mechanismen dieser Oligarchie blickte, wußte, daß eine Behörde wie Haladils Investigatur dringend notwendig war, um Auswüchse zu verhindern.
»Haladil, immer, wenn du in meinem Büro auftauchst, bekomme ich Kopfschmerzen«, murrte Moga und kniff die Augen zusammen. Der Tzatike, ein spindeldürres, hochgewachsenes Wesen, das anstatt von Augen einen durchgehenden Facettenkranz auf dem konisch geformten Kopf trug, verbeugte sich.
»Ich ziehe mich sofort zurück, wenn ich Euch Unwohlsein bereite, Ehrwürdiger!«
»Quatsch«, stieß Moga hervor. »Du hast immer Zutritt zu mir und in den letzten drei Jahren, in denen du die Investigatur leitest, hast du dieses Privileg nie mißbraucht. Jedesmal hattest du ein ernsthaftes Anliegen und jedesmal hat mir nicht gefallen, worüber du berichtet hast.«
Haladil senkte seinen Kopf. »Ich erfülle meine Pflichten, Edelester.«
»Und gut dazu, sonst hätte ich dich längst als Nachschubverwalter in den hintersten Winkel des Reiches versetzt. Also gut, ich höre dir zu. Wer aus der FAMILIE hat gegen den Kodex verstoßen?«
Haladils Aufgabe waren ausschließlich Verstöße gegen den FAMILIEnkodex
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