Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feind des Feindes

Feind des Feindes

Titel: Feind des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
ganz Moskau.
    Und das war gut, sehr gut sogar. Das würde sie beschäftigt halten.
    Er legte sich auf seine gehäkelte Überdecke, zog die Schuhe aus und trat sie vom Bett hinunter, faltete die Hände im Nacken und sah zu der weißen schwedischen Zimmerdecke hoch.
    An meine Gedanken kommt ihr nicht heran, dachte er mit einem gewissen Triumphgefühl.
    Er hatte kein einziges Dokument über Sandström nach Moskau mitgebracht, nicht einmal die Fotos, nichts.
    Alles befand sich in seinem Kopf, ohne daß er sich auch nur eine einzige Notiz zu machen brauchte.
    Sandströms Wohnung lag im achten Stock an der linken Ecke, wenn er das Erdgeschoß als erstes Stockwerk zählte. Das Haus hatte sechs Fenster nebeneinander, bis die Balkons begannen, wenn man von der äußersten Ecke an zählte.
    Das Haus war grauweiß. Das Nachbarhaus nebenan war moderner, aus rotem Klinker, und hatte am Giebel acht kleine Balkons, die zu dem grauweißen Haus zeigten, in dem Sandström wohnte. Neben dem roten Klinkerbau standen drei Telefonzellen. All das sah man, sobald man den U-Bahnhof verließ. Die Fotos waren von dort aufgenommen worden. Auf dem Dach, zwischen den Fenstern vier und fünf, stand ein kleiner rotweißer Mast, der in Stockholm zunächst einiges Kopfzerbrechen verursacht hatte, aber dann waren die Technik-Experten zu dem Schluß gekommen, daß dieser zumindest nichts mit Sandström zu tun hatte, da der Mast für eine Sendeanlage zu groß und klobig war.
    Nein, diesen Anblick würde er nie vergessen.
    Der Spion selbst war kein Problem, es sei denn, daß er ihn unterschätzte.
    Sandström hatte alle seine Frauen mißhandelt und bevorzugte offensichtlich Würgegriffe und Ohrfeigen. Er war lange ungestraft davongekommen, hatte ihnen aber trotz der besinnungslosen Wut, die alle Frauen nacheinander bezeugt oder in den Verhören bestätigt hatten, keine ernsten Verletzungen beigebracht, nur blaue Flecken und leichte Würgemale am Hals.
    Als junger Mann hatte er geboxt, aber sofort damit aufgehört, als er zum ersten Mal K. o. geschlagen worden war.
    Einmal war er auf Zypern in eine Kneipenschlägerei verwickelt gewesen, bei der er ziemliche Prügel bezogen hatte. Aber da war sein Gegner offenbar ein Mann gewesen.
    Sein Waffenregister war klein und umfaßte nur das, was er bei der normalen schwedischen Wehrpflicht kennengelernt hatte.
    Zusammenfassend kam Carl zu dem Schluß, daß der Mann wehrlos sein würde, wenn er nicht eine Frau zum Gegner hatte; zudem war er bislang nur im Zusammenhang mit Alkoholkonsum gewalttätig geworden.
    Seine Krankengeschichte enthielt alles mögliche, angefangen von einem möglichen Tumor an der Hypophyse bis hin zu Zügen von Mythomanie und Geisteskrankheit. Bei einer Gelegenheit war er gestürzt, hatte sich dabei bewußtlos geschlagen und war dreißig Stunden liegengeblieben, bis man ihn fand, was anschließend zu einem Krankenhausaufenthalt geführt hatte.
    Andererseits hatte er sieben Jahre vollkommen nüchtern in zwei schwedischen Gefängnissen zugebracht. Irgendwann in den letzten zwei Jahren, vermutlich nachdem er begonnen hatte, seine Flucht zu planen, war ihm aufgegangen, daß es ihm gelingen konnte, diese bedauernswerte Frau zu einer vermeintlichen Heirat zu überreden und auf die Finnlandfähre zu locken.
    Carl ging davon aus, daß sie sich nicht in Moskau aufhielt. Der von Sandström bevorzugte Frauentyp war den Polizeiberichten zufolge superschlank, und seine Freundin war eher vollschlank.
    Oder war es zumindest gewesen. Carl bezweifelte, daß sie sich in dieser Wohnung aufhielt; er hoffte vielmehr, Sandström würde einen seiner Würgegriffe unter etwas nüchterneren und geordneteren Umständen an ihr ausprobieren.
    Es würde zu einigen Komplikationen führen, wenn sie sich auch in der Wohnung aufhielt. Eine Möglichkeit war, sie hinterher zur schwedischen Botschaft mitzunehmen.
    Für eine solche Lösung würde jedoch niemand, außer ihr selbst, ihrer Familie und der Abendpresse auch nur die geringste Dankbarkeit bezeugen. Die Geschichte würde an die Öffentlichkeit kommen. Carl lächelte ironisch, als er daran dachte, wie Peter Sorman wohl mit einer solchen Situation umgehen würde.
    Außerdem würde sie Augenzeugin sein.
    Und irgendwelche Zeugen konnte Carl nicht gebrauchen.
    Ihm gingen noch weitere Aspekte des Frauenquälers und Landesverräters durch den Kopf. Die Spionagegeschichte des Mannes war fast komisch zu nennen. Bis zu seiner Flucht nach Moskau war er ein wandelndes Bündel von

Weitere Kostenlose Bücher