Feind des Feindes
den Maschinen befanden. Dabei müsse eine von dem normalen Stromnetz abgekoppelte Energiequelle verwendet werden - denn Datenprogramme würden mit Vorliebe gerade durch das Stromnetz angezapft. Das gesamte interne Wissen werde also nur in bestimmten Situationen zur Verfügung stehen, nämlich wenn es von außen so aussah, als hätte man in der Botschaft die Maschinen abgeschaltet oder gar die Stecker gezogen.
Bei jedem Bericht werde man beispielsweise das System fragen können, wann zuletzt Bericht erstattet worden war, um so doppelte Berichte zu vermeiden.
Das werde für die Bearbeitungseinheit zu Hause einige Erleichterung bringen und die eigenen Erkenntnisse relativ kurzfristig überschaubar und geordnet machen.
Und wenn das Programm erst einmal stünde, wäre es selbst für einen an Computern völlig ungeübten Mitarbeiter keine große Schwierigkeit, das System um Rat zu fragen oder es mit neuen Daten zu füttern.
Das, so schloß Carl, sei sein offizielles Arbeitsprogramm. Unabhängig davon, ob er an manchen Tagen einen Kater hatte.
Das behielt er natürlich für sich.
Die beiden Männer verließen den Gesprächsraum, wie er in der Botschaft hieß, und begaben sich in ihre Abteilung zurück.
Carl erhielt das schriftliche Material, mit dem er seine Klassifizierung beginnen sollte. Er sollte mit den aktuellsten Daten beginnen und sich chronologisch weiter zurückarbeiten. Es werde mindestens einen Monat dauern, bis er ein halbwegs brauchbares System in Gang gesetzt habe. Aber dann werde es um so leichter gehen, versicherte er.
Er erhielt noch ein paar weitere Informationen. Zunächst sollte er in etwa drei Minuten den Botschafter begrüßen und am folgenden Tag in Uniform zum UWS mitkommen, der Leitung auswärtiger Angelegenheiten bei den sowjetischen Streitkräften, um die Akkreditierungsprozedur zu durchlaufen.
Botschafter Thunborgs Zimmer war fast spartanisch in seiner strengen, gedämpft schwedischen Einrichtung, zumindest was die Möbel betraf.
Thunborgs Schreibtisch war aus braunem Teak mit sacht gerundeten Linien und wirkte weder protzig noch überladen oder machtbewußt leer, er saß in Hemdsärmeln da und hatte die Krawatte gelockert, so daß es aussah, als hätte er gerade gearbeitet.
Alles in dem Raum war gemessen und genau berechnet, und nur die unbegreiflichen abstrakten Kunstwerke störten Carls Gefühl für Harmonie.
Der Botschafter gab ihm mit einer Miene die Hand, in der sich grimmige Ironie und entschlossene Freundlichkeit mischten.
Thunborg war ein sehr kleinwüchsiger Mensch, was er vielleicht durch seinen kraftvollen Blick und seine volltönende Stimme zu kompensieren suchte. Er sprach laut und selbstsicher.
»Bitte, setzen Sie sich, Fregattenkapitän. Zunächst möchte ich Sie als Chef bei Ihrem neuen Job begrüßen und natürlich auch meiner Hoffnung Ausdruck geben, daß die Zusammenarbeit für alle Seiten befriedigend verläuft.«
Nicht für alle Seiten, dachte Carl, aber dir zumindest werde ich dieses Wissen ersparen.
»Natürlich, das hoffe ich auch«, erwiderte er.
»Aber um jetzt gleich zur Sache zu kommen«, fuhr Thunborg fort und beugte sich dabei mit beiden Ellbogen auf der Tischplatte energisch nach vorn, »ich habe versucht, den Zweck deiner Moskauer Expedition zu ergründen. Wie du dir denken kannst, bin ich zu Hause nicht ganz ohne Verbindungen, und… laß mich übrigens darauf hinweisen, daß wir davon ausgehen, daß alles, was hier im Raum gesagt wird, abgehört werden kann.«
»Ja, das ist mir klar«, erwiderte Carl. Er schlug die Beine übereinander und setzte sich bequem zurecht.
»Nun, selbst wenn unsere liebenswürdigen Gastgeber vielleicht mithören, möchte ich darauf hinweisen, daß ich die Eile, die man dabei an den Tag gelegt hat, dich hierher zu bekommen, nicht ganz verstanden habe. Du hast ja so etwas wie, nun, sagen wir, eine Vergangenheit, die… die sich in dieser Stadt nicht sehr gut machen würde. Ich hoffe, du siehst das ein?«
»Selbstverständlich, aber ich habe vor kurzem einen neuen Job angetreten.«
»Na schön. Und ich habe mit meinem alten Freund Peter vom Außenministerium gesprochen.«
»Peter Sorman?«
»Ja. Und seinen Worten habe ich entnommen, daß er der Meinung ist, Moskau sei die nächstliegende Stadt, in der er dich haben wolle, denn er bedauerte, daß wir in Ulan Bator keine diplomatische Vertretung haben. Wie du dir denken kannst, kommt mir das leicht besorgniserregend vor.«
»Ja, und ich verstehe auch, worauf Sorman
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