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Feind des Feindes

Feind des Feindes

Titel: Feind des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Leidenschaft nachgegeben hatte. Er liebkoste ihr behutsam den langen, nackten Rücken. Sie war sehr schmal, beinahe mager, und seine Finger glitten sichtbar auf ihrem Rückgrat auf und ab.
    Schließlich drehte sie sich um und küßte ihn fast verlegen oder schüchtern auf den Halsansatz und bohrte den Mund hinein.
    Er blieb eine Weile liegen und sah an die Decke; draußen war es inzwischen fast dunkel geworden, und die Zimmerdecke war voller Risse. Er wartete auf etwas.
    »Wer bist du eigentlich, Graf Hamilton, und was tust du eigentlich hier bei uns in Moskau? Ich weiß so wenig über dich«, flüsterte sie schließlich.
    Er ahnte den Zusammenhang.
    »Ich bin Diplomat, aber nicht nur das«, erwiderte er ruhig und ziemlich laut. »Ich bin Militärattaché, und das bedeutet, daß ich auf gesetzlichem Wege Angaben über die Verteidigung der Sowjetunion sammele, so wie es sowjetische Diplomaten auch bei uns tun. Das dient dazu, daß wir alle mehr voneinander wissen, und ist überhaupt nichts Merkwürdiges.«
    Sie drehte erneut das Gesicht ins Kopfkissen, und er spürte fast sofort, wie ihr schmaler Rücken von Schluchzern geschüttelt wurde. Sie weinte, erstickte die Laute aber im Kopfkissen.
    Dann drehte sie ihm urplötzlich und impulsiv wieder das Gesicht zu, das jetzt tatsächlich verweint und mit Augen-Make-up ganz verschmiert war. Sie zog sein Ohr zu sich heran und flüsterte so, daß nur er es hören konnte, daß sie einen Spaziergang machen wolle. Sie mußten nämlich an die frische Luft, um miteinander reden zu können.
    Er schüttelte den Kopf und mußte unwillkürlich über die Situation lächeln. Wenn es etwas gab, was er gerade jetzt auf keinen Fall tun würde, dann zu einem Spaziergang an die frische Luft zu gehen.
    »Nein«, entgegnete er. »Das wäre falsch.«
    Er beugte sich zu ihr hinunter und flüsterte ihr schnell eine Zeit und einen Ort zu, sah sie dann an und trocknete ihr behutsam mit dem Zeigefinger die Tränen. Dann küßte er sie aufs Gesicht, zunächst vorsichtig, und als er ihren Mund erreichte, küßte er sie immer heftiger, so daß sie sich noch einmal liebten, statt auszugehen. Sie fand sich fast verzweifelt mit seinem unausgesprochenen Vorschlag ab.
    Er verließ sie nach Mitternacht mit der Erklärung, jeden Abend in seine Wohnung in der Botschaft zurückkehren zu müssen, da sowohl die schwedischen wie auch die sowjetischen Wachen seine nächtliche Abwesenheit notierten.
    Als er auf die stille dunkle Straße hinaustrat, die recht weit von der Moskauer Innenstadt entfernt war, fiel ihm plötzlich ein, daß es schwer sein würde, eine Fahrgelegenheit nach Hause zu finden, da er sich jetzt in einem stillen Viertel befand und noch einen weiten Weg zu den stärker befahrenen Einfallstraßen zum Zentrum hatte, wo er ein Taxi anhalten konnte.
    Und als dann ein Taxi wie zufällig aus dem Nichts auftauchte, der Fahrer die Seitenscheibe herunterkurbelte und fragte, ob er ein Taxi wünsche, hatte er fast Mühe, nicht seine Heiterkeit zu zeigen, als er ablehnte. Der Fahrer fragte erneut, und Carl lehnte erneut ab.
    Er ging eine halbe Stunde zu Fuß in Richtung Innenstadt und hatte jetzt zum ersten Mal das Gefühl, überwacht zu sein. Jetzt hatten sie ihr zugesetzt, vielleicht auch ihrer Familie. Er hatte es kaum anders erwartet und würde es auch auf eine Weise für sich nutzen können, die sie kaum vermutet hatten.
    Wenn die Situation tatsächlich so günstig war, wie er zu hoffen wagte, würde er es erst am folgenden Tag erfahren. Daher ließ er seine Gedanken in eine andere Richtung abschweifen.
    Die Straße war ein ungeheuer breiter Boulevard mit nur wenig Verkehr. Die Bürgersteige waren verlassen und ein gutes Stück von dem Verkehr da draußen entfernt, so daß das Taxi, das ihn jetzt auflesen wollte, mehr als zehn Meter entfernt halten mußte.
    Er ging lachend auf den Wagen zu. Wenn sie schon so hartnäckig waren, durften sie ihn gern nach Hause fahren.
    Als der Taxifahrer ihn fragte, ob er Geld wechseln wolle, lachte er unmotiviert auf, was jede weitere Unterhaltung unmöglich machte. Der gelbe Wolga fuhr schnurgerade zur schwedischen Botschaft. Ohne daß er die Adresse genannt hatte.
    Als er wieder in seiner Wohnung war, suchte er neugierig nach Anzeichen einer Durchsuchung. Bisher war ihm noch nichts aufgefallen. Nur Russen, die bei der Botschaft angestellt waren, hatten Zutritt zu dem Gelände, aber jeder ging davon aus, daß das russische Personal mindestens zur Hälfte aus Leuten des

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