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Feind des Feindes

Feind des Feindes

Titel: Feind des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Dinge liegen, glaube ich nicht, daß du dir wegen dieser Geschichte große Sorgen machen mußt.«
    »Wie kannst du so etwas sagen? Du bist keiner von uns, du verstehst das nicht. Es ist ein schwarzer Schatten, man weiß, daß es ihn gibt, und wir wachsen einfach damit auf und hören immer wieder Geschichten davon. Es ist, als wäre es nicht wirklich, sondern nur ein böser Traum. Und dann wird es eines Tages doch Wirklichkeit und zerstört einem das ganze Leben.« Sie hatte natürlich recht. Sie saß in der Falle. Irgendwo in der Stadt, vielleicht bei Zentral , war ein Führungsoffizier für sie zuständig. Sie war ein Fall, eine Nummer mit eigener Akte.
    Jetzt saß sie unwiderruflich fest.
    Und jetzt war sie dabei, einen weiteren Führungsoffizier zu erhalten, diesmal von der anderen Seite. Das würde ihnen später vielleicht aufgehen, und bei der Suche nach dem Schuldigen hatten sie die Wahl zwischen ihr und ihrem russischen Führungsoffizier. Wahrscheinlich würden sie sich für sie entscheiden.
    Und sie war absolut nicht dumm. Ihre Furcht war jetzt ihr Feind und nicht etwa Mangel an Intelligenz, und dieser Furcht würde er sich jetzt bedienen. Nur flüchtig schoß ihm der Gedanke durch den Kopf, daß er selbst ihr Feind war. Jetzt war er lange genug stumm neben ihr hergegangen, um den Eindruck zu erwecken, als spräche er nach ruhigem, vernünftigem Nachdenken.
    »Es ist wahr, Irma, daß ich keiner von euch bin. Ich bin kein Russe und habe nicht wie du in einem Land gelebt, in dem einem Dserschinski Denkmäler errichtet werden…«
    »Du hast so getan, als wüßtest du nicht einmal, wer das ist!«
    »Auch das stimmt. Ich wollte dich nicht beunruhigen. Aber laß mich fortfahren. Du bist nämlich andererseits auch keine von uns, du bist keine Spionin und bist es nie gewesen. Aber ich kenne deine russischen Spione und Spionenjäger, so wie sie mich kennen. Wir sind nämlich Kollegen und arbeiten im selben Beruf. Wir sind Offiziere, die ihrem Land dienen, ob es nun Rußland oder Schweden heißt. Ich weiß, wie diese Leute denken, und deshalb bin ich nicht beunruhigt. Nein, laß mich erklären, unterbrich mich nicht. Es ist so. Die wissen natürlich ungefähr, womit ich mich in meinem alten Beruf beschäftigt habe, als ich draußen in der Welt unterwegs war. Sie können es sogar an meiner Uniform ablesen.«
    »Eine Uniform hast du auch! Du bist also Soldat und kein Diplomat!«
    »Nein, nein. Alle Militärattachés haben Uniform, damit man in diesem Beruf ganz offen auftreten kann. Das ist in aller Welt so üblich. In Uniform begeht man nämlich keine Straftaten. Sie wollen jedenfalls nur feststellen, ob es stimmt, daß ich in die offene, legale Tätigkeit übergewechselt bin. Es ist eine Routineangelegenheit. Ich habe mich hier in der Stadt ein wenig sonderbar aufgeführt, und das ist der Grund, weshalb sie mich kontrollieren wollen. Zu Hause hätten wir es mit einem Russen, der wie ich aufgetreten wäre, ganz genauso gemacht. Daran ist also wirklich nichts Besonderes.«
    »Aber was hast du getan? Was hast du angestellt?«
    »Du bist das Problem, Irma. Ich hätte dich nicht kennenlernen dürfen, hätte mich nicht in dich verlieben dürfen, dürfte keinen Umgang mit dir haben. So etwas gilt als unvorsichtiges Auftreten. Leute wie ich müßten nämlich jederzeit mißtrauisch und vorsichtig sein. Aber ich habe dieses Leben satt. Ich will nicht mehr wie ein Spion leben. Ich bin ein gewöhnlicher Mensch und ein ganz gewöhnlicher Mann mit normalen männlichen Schwächen. Als ich dich zum ersten Mal spielen hörte, habe ich meiner Schwäche sofort nachgegeben, und das ist es einfach, was ihnen sonderbar vorkommt.«
    »Du bist ein Dummkopf.«
    »Ja, ich bin ein Dummkopf.«
    Sie ging stumm eine Weile neben ihm her und schien für den Moment besänftigt oder beruhigt zu sein. Dann kamen sie zu einer kleinen Garküche, aus der ein Holzkohlengrill dampfende Düfte verbreitete.
    »Perestroika«, sagte sie plötzlich mit einem Lachen. »Komm, ich habe Hunger. Ich habe seit fast zwei Tagen nichts mehr gegessen.«
    »Wieso Perestroika?« fragte er und ließ sich von ihr zu dem dampfenden Grill mitziehen.
    »Es sind Jungs von irgendeiner Kooperative draußen auf dem Land. Sie haben ihre eigene Wurst hergestellt und verkaufen sie jetzt für einen kapitalistischen Profit.«
    »Das ist kein kapitalistischer Profit, Irma, das ist Ausbeutung.«
    Beide lachten, und beide empfanden es als sehr erleichternd, schon wieder lachen zu

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