Feind des Feindes
sofort losrauschen ließ. Der Mann zuckte zusammen, sah sich um, entdeckte den Fernseher und ging auf ihn zu. In diesem Augenblick schaltete Carl das Licht des Kronleuchters an, hielt die Pistole vor sich und wartete ruhig darauf, entdeckt zu werden. Der Abstand betrug fünf Meter, und die Lage war damit vollständig unter Kontrolle.
Der Mann, der sich jetzt umdrehte und Carl erschreckt ansah, schien in einem unbestimmten Alter zwischen dreißig und vierzig zu sein. Er trug eine abgetragene Lederjacke, riß verängstigt die Augen auf, und die stark vergrößerten Pupillen ließen vermuten, daß er unter Drogen stand. Als er die große schwarze Pistole in Carls Hand entdeckte, hob er sacht die Hände und mußte sich zusammennehmen, um etwas sagen zu können.
»Schieß nicht, schieß nicht, zum Teufel«, sagte er mit gesprungener, heiserer Stimme.
Carl betrachtete ihn stumm und dachte nach.
»Runter auf den Fußboden, Gesicht auf den Boden und Arme und Beine ausstrecken«, befahl er schließlich.
Der andere gehorchte blitzschnell. Carl ging zu ihm hinüber und nahm ihm einen großen Schraubenzieher, zwei Spritzen und ein dickes Schlüsselbund ab. Er warf die Sachen auf den Schreibtisch.
»Bleib liegen. Beweg dich nicht, denn sonst schieß ich dir den Schädel runter«, befahl er und ging schnell zu seinem verschlossenen Raum. Er öffnete die vordere Eichentür, tippte den Code des Schlosses zur Innentür aus Stahl, betrat das vollkommen dunkle Zimmer, öffnete einen seiner Waffenschränke und riß ein paar amerikanische Handschellen an sich.
Zu seinem Erstaunen lag der Mann in der gleichen Stellung da, in der er ihn verlassen hatte; Carl hatte sich schon darauf eingestellt, in den Flur gehen und den Mann von der verschlossenen Wohnungstür reißen zu müssen.
Carl legte dem Mann die Handschellen an, so daß er das ganze Bündel an den Armen zu einem Sofa am hinteren Ende der Bibliothek schleifen konnte, auf das er sein Opfer warf.
Er schaltete eine Tischlampe ein und setzte sich in einen Sessel dem Mann gegenüber hin.
»Bist du Bulle?« fragte der Eindringling mit einem ebenso plötzlichen wie schwer verständlichen Optimismus in der Stimme.
»Nein, bedaure, die Freude kann ich dir nicht machen. Du hast es erheblich schlechter getroffen. Jetzt wollen wir uns mal unterhalten, du und ich, und wenn ich erfahre, was ich wissen will, kann ich dir die Bullen ersparen.«
»Den Teufel auch. Ruf lieber die Bullen an«, entgegnete der andere trotzig.
Carl beugte sich vor und zog dem Dieb die Brieftasche aus der Jacke. Er entnahm ihr eine Monatskarte für den Bus und ein Methadon-Rezept, die beide auf den gleichen Namen ausgestellt waren.
»Wie heißt du?« fragte er. »Und welche Geburtsnummer hast du?«
»Das kann dir doch scheißegal sein, du mieser Wichser, ruf lieber die Bullen an«, entgegnete der andere mit sichtlich gestiegenem Selbstvertrauen in der Stimme.
Carl seufzte und stand auf. Dann trat er schnell zwei Schritte vor und schlug dem anderen mit dem Handrücken quer über Gesicht und Nase, mehr um ihn einzuschüchtern, als ihn zu verletzen.
»Wie heißt du und welche Geburtsnummer hast du?« brüllte er.
»Ich werde dich wegen Mißhandlung im Amt anzeigen, du Scheißkerl…«
Carl schlug erneut zu, diesmal bedeutend härter. Als der andere wieder zu sich kam, antwortete er.
»640117-1279, Kenneth Henrik Carlsson, Carlsson mit C. Und ruf jetzt die Bullen an, du Arschloch.«
Carl steckte nachdenklich die Pistole wie gewohnt in den Hosenbund auf dem Rücken. Warum wollte der Dieb unbedingt von der Polizei abgeholt werden?
»Ja, ich werde die Polizei anrufen«, sagte er und ging zum Schreibtisch hinüber. Er nahm den Hörer ab und wollte gerade die Nummer wählen, als ihm aufging, daß er nur die Nummer der Sicherheitspolizei kannte. Die normale Polizei hatte er noch nie angerufen.
»Kennst du die Nummer?« fragte er mit einem Lächeln.
Er bekam die Nummer und verlangte die Wachhabende in der Revierwache 1. Sie nahm selbst ab. »Hallo, ich bin es, Carl. Ich brauche deine Hilfe bei etwas.«
»Du kommst doch morgen, oder?«
»Ja, ich komme wie verabredet, aber kannst du jetzt im Fahndungsregister einen Dieb für mich raussuchen?«
»Das ist nicht öffentlich.«
»Ich weiß, aber ich habe den Dieb bei mir und möchte gern seine Identität feststellen.«
»Soll ich einen Wagen vorbeischicken und ihn abholen lassen?«
»Nun ja, er scheint selber nichts anderes zu wünschen, und das liegt wohl
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