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Feind des Feindes

Feind des Feindes

Titel: Feind des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Platte auf, schloß die Handschellen auf und zog einen Sessel heran, so daß beide Männer nur einen Meter voneinander entfernt waren.
    »Skål, Kenia«, sagte Carl und hob sein Glas, während er den Dieb betrachtete, der sein Glas zögernd an die Lippen führte, einen Schluck trank, das Glas abstellte und sich abwartend die Handgelenke zu massieren begann. Der Mann war ohne Zweifel ein richtiger Dieb. Er sah wachsam, ängstlich und gammelig aus, hatte einen schlechten Teint und verströmte einen ziemlich unangenehmen Geruch.
    »Jetzt ist es so, Kenta, hier kommst du erst weg, wenn…«, versuchte Carl so sanft wie möglich zu beginnen, wurde jedoch sofort unterbrochen.
    »Hör mal, was soll das? Ich bin kein Singvogel, ich bin Profi, kapiert? Hier wird weder mit dir noch mit irgendeinem Arsch von Bullen gequatscht.«
    »Doch, Kenta. Unterbrich mich nicht. Du wirst schon hören.« Carl machte eine Pause, bevor er fortfuhr.
    »Wenn du ein gewöhnlicher Dieb bist, der einen gewöhnlichen Einbruch zu begehen versucht, hast du recht mit dem, was du sagst. Für den Einbruch Nummer 2 000 oder worum es sich bei dir auch handeln mag, gibt es keine Strafe. Nein, hör jetzt zu! Also… ich bin Offizier und arbeite im Generalstab, und meine Arbeit hat sehr viel mit militärischen Geheimnissen zu tun. Du kommst mit einem Schlüssel her, gehst auf direktem Weg zu einer bestimmten Schreibtischschublade. Du bist nicht hier, um etwas zu stehlen, dann hättest du nur den Schraubenzieher genommen und die Schublade aufgebrochen. Dies ist kein gewöhnlicher kleiner Bruch, Kenta. Ob du es weißt oder nicht, du arbeitest für eine fremde Macht. Und das nennt man weder Einbruch noch schweren Diebstahl, das nennt man Spionage. Dafür und für ein paar andere Dinge, die du verbrochen hast, gibt es nicht ein paar Monate, die du auf einer Backe absitzen kannst, sondern du riskierst zehn Jahre Gefängnis. Verstehst du, wovon die Rede ist?«
    »Nee, ich kapiere gar nichts«, erwiderte der Dieb mit greifbarer Angst in der Stimme.
    »Doch, Kenta, du kapierst sehr wohl. Dies bedeutet auch, daß du nicht bei den gewöhnlichen Bullen landen wirst. Erst prügele ich hier die Wahrheit aus dir heraus, und bilde dir bloß nicht ein, du könntest mich wegen Polizeibrutalität oder derlei anzeigen. Wenn es um die Sicherheit des Reiches geht, gelten die üblichen Vorschriften nicht. Dann verfrachte ich dich an irgendeinen finsteren Ort, an dem du ein paar Monate lang verhört werden wirst, bis wir alles wissen, und dann darfst du eine ziemlich lange Strafe absitzen. Nein, unterbrich mich nicht. Das ist die unangenehme Möglichkeit, die wir haben. Jetzt will ich von der angenehmen erzählen. Du bist Dieb, nicht wahr. Jemand hat dich angeheuert. Dir ist nicht klar gewesen, welches Risiko dieser Jemand dir auferlegt hat. Wir wollen aber nicht dich, denn du bist nur ein Dieb. Wir wollen die Leute schnappen, die dich angeheuert haben.«
    »Ich bin kein Singvogel…«
    Die Stimme klang sehr zögernd. Carl nahm das Glas, prostete dem Dieb zu, der einen reellen Schluck nahm, ging zum Schreibtisch und fingerte an der großen Kamera herum, die dort lag. Es war eine Polaroidkamera, die jeder Amateur bedienen konnte.
    »Du solltest hier etwas fotografieren, Kenta. Anschließend solltest du alles wieder so herrichten, wie du es vorgefunden hast. Ich weiß, woher der Schlüssel stammt, den man dir gegeben hat, um hier reinzukommen. Nun, Kenta? Was solltest du fotografieren? Doch wohl keine geheimen Akten?«
    »Nein, so was nicht. Es kam mir ein bißchen verrückt vor, aber ich hab doch nicht kapiert, daß man das als Spionage oder so bewerten kann. Mit U-Booten oder so hat es ja gar nichts zu tun.«
    »Nun, was solltest du denn fotografieren?«
    Carl setzte sich wieder in seinen Sessel und sah den Dieb an, während dieser mit seiner Diebesehre und seiner Angst kämpfte. Am Ende gewann die Angst die Oberhand.
    »Das waren doch nur so ein paar Scheißmedaillen. Wie soll das denn Spionage sein?«
    »Medaillen?«
    »Ja, die sollten da in der Schublade liegen.«
    Carl stand auf und ging nachdenklich wieder zum Schreibtisch. Es stimmte. In der Schublade lagen einige private Papiere, doch hinten befanden sich auch einige blaue Etuis mit Carls gesammelten Auszeichnungen. Er hatte es inzwischen selbst schon fast vergessen.
    Er wählte einen Schlüssel aus dem Schlüsselbund aus, das der Dieb bei sich gehabt hatte, öffnete die Schublade und holte die Etuis hervor. Er wählte eine

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