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Feind des Feindes

Feind des Feindes

Titel: Feind des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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daran, daß ihr ihn sofort wieder laufen laßt. Bevor ich ihn rausschmeiße, muß ich aber etwas über ihn wissen.«
    »Er bedroht dich doch nicht irgendwie? Hast du die Lage unter Kontrolle?«
    »Ja, absolut.«
    »Na schön. Wie heißt er?«
    »640117-1279 Kenneth Henrik Carlsson«, las Carl von dem Methadon-Rezept ab.
    Sie blieb ein paar Minuten weg. Carl legte den Hörer beiseite und zog die Vorhänge am Erkerfenster der Bibliothek zurück. Er betrachtete kurz die Umgebung des Hauses, sah jedoch nichts Verdächtiges. Dort unten auf dem Kopfsteinpflaster waren St. Georg und der Drache in ihrem ewigen Kampf allein. Über den Hausdächern hatte Carl fast freie Sicht auf Skeppsholmen und die drei Masten der af Chapman. Er öffnete die Fenster, und das einzige, was zu hören war, waren Amseln und ein paar vereinzelte Autos unten auf der Skeppsbron.
    »Ja, das ist eine lange Geschichte, das hier«, seufzte Eva-Britt Jönsson, als sie wieder am Telefon war. »Willst du alles im Detail oder nur ein allgemeines Bild. Was meinst du?«
    »Ich möchte ganz allgemein wissen, was für ein Typ er ist. Das wurde mir genügen«, erwiderte Carl mit einem Blick auf seinen mürrischen Gefangenen.
    »Tja… etwas mehr als dreißig Punkte im Strafregister. Diebstahl, Drogenvergehen, schwerer Diebstahl, Mundraub, Bedrohung, Drogenvergehen, Raubüberfall, Diebstahl, schwerer Diebstahl, Mundraub, Widerstand gegen die Staatsgewalt, und so weiter. Wird Kenta genannt, kein Gewaltverbrecher, Dieb und drogensüchtig, bekommt legale Methadon-Zuteilungen… Genügt das? Netten Besuch hast du da.«
    »Besondere Kennzeichen?«
    »Laß mich mal sehen… ja, Tätowierungen an den Unterarmen, wie sie Knastbruder haben. Eine der Tätowierungen auf dem linken Unterarm ist eine Art Kreuz mit einer Kompaßrose, und um das Handgelenk steht ›Kicki‹.«
    »Das genügt. Wir sehen uns morgen.«
    »Bist du sicher, daß wir ihn nicht abholen sollen?«
    »Aber ja. Das hat keinen Sinn. Er hat nicht die Zeit gehabt, etwas zu klauen. Wir sehen uns morgen.«
    Carl wartete die Antwort nicht ab, sondern legte auf. Dann holte er den kleinen Schlüssel für die Handschellen hervor, ging zu dem Dieb hinüber und schloß die linke Handschelle auf. Er schob seinem Gefangenen den linken Hemdsärmel hoch und stellte fest, daß sich dort die angegebenen Tätowierungen befanden. Dann schloß er die freie Handschelle um das eine Bein des Sofas, so daß sein Gefangener gezwungen war, mit ausgestrecktem rechten Arm am Fußboden vornübergebeugt dazusitzen. Dann ging Carl zum Schreibtisch hinüber und musterte kurz die dort liegenden Gegenstände. In dem Schlüsselbund, das er dem Dieb aus der Tasche genommen hatte, war Carls Türschlüssel mit der Zahl drei bezeichnet. Das war ein entscheidender Hinweis.
    Er ging ins Schlafzimmer, zog sich Hemd, Strümpfe und Schuhe an und kehrte dann in die Bibliothek zurück. Er blieb mitten auf dem Fußboden stehen. Der Dieb sah jetzt eher wütend als ängstlich aus.
    »So, Kenta, jetzt müssen wir beide ein ziemlich langes Gespräch führen«, begann er, wurde jedoch sofort unterbrochen.
    »Den Teufel auch, du darfst bloß die Bullen anrufen, sonst ist das Freiheitsberaubung. Das ist ein Verbrechen, das in der Gesellschaft als ziemlich ernst gilt. Ich bin nur ein kleiner Dieb, ich kriege also keine Strafe, aber du kriegst Ärger an den Hals, wenn du mich nicht freiläßt.«
    Carl mußte unwillkürlich lächeln. Was der Dieb sagte, war grundsätzlich wahr. Sein eigenes Verbrechen konnte ohne jeden Zweifel als ernster gelten als versuchter Diebstahl.
    »Nun ja«, sagte er zögernd. »Du hast wohl nicht kapiert, in welcher teuflischen Klemme du dich befindest. Ich kann mir vorstellen, daß du nicht weißt, wer ich bin?«
    »Ist mir doch scheißegal. Ruf lieber die Bullen an. Du hast kein Recht, mich zu vernehmen.«
    »Willst du was zu trinken? Whisky, Wein, Bier?«
    »Ein Schnäpschen wär’ nicht übel, aber dann mußt du mir diese verfluchten Handschellen abnehmen«, erwiderte der Dieb mit plötzlich aufblitzendem Optimismus in den Augen.
    Carl warf einen Seitenblick auf die offenen Fenster. Nach einer Ganovenjagd über die Dächer von Gamla Stan, der Altstadt, war ihm jetzt nicht zumute. Er schloß zunächst die Fenster, holte dann eine Flasche Jack Daniels und zwei Gläser hervor, goß ein Glas halbvoll, bedeckte beim anderen nur den Boden mit Whisky, stellte beide Gläser auf den Tisch vor dem Sofa mit dem Gefangenen. Dann legte er eine

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