Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feind des Feindes

Feind des Feindes

Titel: Feind des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
wohl auch nicht. Aber bist du ungeduldig? Willst du wieder in die operative Abteilung zurück?«
    »Nun ja… hier ist es ziemlich lehrreich gewesen, aber ich bin nicht dafür geschaffen, in Papieren zu blättern.«
    »Wofür bist du denn geschaffen, Carl?«
    Samuel Ulfsson stellte seine Frage so sanft, daß sie sich vergiftet anhörte. Und sie blieb eine Weile in der Luft hängen, während er sich eine neue Zigarette anzündete.
    »Nun, Carl?« beharrte er und blies eine Rauchwolke aus, die erstaunlich dick war. Immerhin entstammte sie einer rauch-, nikotin und tabakfreien Zigarette, wenn man der Werbung glauben sollte.
    Der muß die halbe Zigarette mit einem Zug reingezogen haben, dachte Carl, während er fieberhaft überlegte, wie er der Beantwortung entkommen konnte.
    »Ich bin dafür geschaffen, Russen aufzuspüren, ihnen zuvorzukommen und ihnen, falls nötig, entgegenzutreten«, erwiderte Carl zögernd.
    Samuel Ulfsson ließ ein herzerfrischendes Lachen hören.
    »Entgegenzutreten! Wunderbar, Carl! Du meinst natürlich, ihnen den Hals durchzuschneiden?«
    »Wenn ich solche Anweisungen erhalte, ja!« erwiderte Carl mit gespielter Heiterkeit. Die Angelegenheit kam ihm nicht im mindesten komisch vor.
    »Mal im Ernst, Carl. Macht dir das mit den Tschekisten Kummer?«
    »Daß sie mich verfolgen und beschatten?«
    »Ja.«
    »Nun ja, das hängt damit zusammen, daß ich im vergangenen Jahr keine falsche Identität benutzen durfte. Seit dieser Flugzeugentführungsgeschichte wissen sie ja, wer ich bin. Sie wollten wohl herausfinden, wo unsere operative Abteilung ihre Büros hat, und das dürften sie auch geschafft haben. Die Frage ist, ob sie auch unsere neue Adresse bekommen, indem sie mich verfolgen. Ich nehme doch an, daß ich wieder zurück soll?«
    »Ja, natürlich. Aber es dürfte uns gelingen, ein Gegenmittel zu finden. Wichtig ist ja nicht, daß sie wissen, wo wir sitzen, sondern daß sie nicht wissen, was wir tun und denken und meinen. Wir haben jetzt schönes Wetter. Du solltest dir frei nehmen.«
    »Dann haben die Russen in den Schären auch schönes Wetter.«
    »Nun ja, in dem Fall werden wir dich holen müssen. Wir sehen uns beim Montagsvortrag. Ich danke dir für die Papierarbeit. Ach, das hatte ich dir noch gar nicht gesagt, du bist darin sehr gut.«
    »Danke, Kap… danke, Sam.«
    »Schönes Wochenende.«
    »Ebenfalls, Sam.«
    Carl ging zu seinem Arbeitsraum ein Stück weiter im Korridor zurück, räumte Arbeitsnotizen vom Schreibtisch, schob sie in eine Kunststofftüte, die er versiegelte und in einen Ausgangskorb für den Reißwolf legte, bevor er ging.
    Am Abend widmete er in seinem verschlossenen Zimmer hinter der Stahltür mit dem elektronischen Kombinationsschloß mehr als zwei Stunden einem wütenden Training. Er hatte entdeckt, daß er jetzt vierundneunzig Kilo wog, und das waren drei Kilo mehr, als er je gewogen hatte. Er hatte probeweise an der Taille einen Rettungsring herausgezogen oder zumindest ein Stück subkutanen Fettgewebes, das in seiner Vorstellungswelt einem Rettungsring entsprach, jedoch kaum in der seiner Umwelt.
    Er war vierunddreißig Jahre alt und fühlte sich seit einiger Zeit alt und etwas steif und bearbeitete mit schwer zu begreifendem Zorn seinen dicken ledernen Sandsack mit den fast ausradierten Menschenumrissen mehr als eine Stunde lang. Als er mit dem körperlichen Trainingsprogramm fertig war, schoß er zehn Serien mit einer kleinkalibrigen Pistole auf dem selbstgebauten Schießstand des Zimmers. Er war der Meinung, möglichst viel schießen zu müssen, wenn er verschwitzt und müde und wütend war, da er im Ruhezustand beim Schießen auf unbewegte Ziele allmählich viel zu gut wurde. Er war der Meinung, ein derartiges Training sei nützlich, da es in der Realität nur in Momenten der Erregung zu einem Schußwechsel kommen konnte.
    Er hatte das Gefühl, als könnte er mit Hilfe einer Waffe auch sämtliche Gefühle zügeln. Sobald er das Magazin in den Kolben schob, überkam ihn eine ungewöhnliche Ruhe. Seine gesamte Konzentration und sein gesamter Wille ließen sich in einem Punkt vereinen, der Linie zwischen Korn und Kimme, die zu einem klaren Punkt verschmolzen, während das Ziel verschwommen im Hintergrund blieb.
    Er schoß drei Serien mit fünfzig Punkten, vier Serien mit neunundvierzig und zwei mit achtundvierzig. Schießen war ja neuerdings die einzige Sportart, in der er sich behaupten konnte.
    Als er seinen Trainingsraum verschlossen und geduscht hatte, trank er

Weitere Kostenlose Bücher