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Feind des Feindes

Feind des Feindes

Titel: Feind des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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den Laufburschen spielte.
    Was die entsetzlichsten Möglichkeiten anging, konnte man sich folglich beruhigt fühlen.
    Und demgegenüber erschien die letzte Konferenz des Abends bei all ihrer Aufgeregtheit fast wie eine Parodie.
    Daß Carl erschien, um über die jüngste Begegnung mit dem GRU-Chef zu berichten, hatten die anderen nicht erwartet. Das erste, was sowohl den Alten als auch Samuel Ulfsson überrumpelte, war Carls äußerst saloppe Kleidung. Sie hatten dieser Frage sogar einige Aufmerksamkeit geschenkt, so daß die Zeit bis zum eigentlichen Knalleffekt noch etwas verlängert wurde.
    Als Carl endlich seinen Vortrag halten durfte und Tonbänder, Aktenordner, schriftliche Berichte und Analysen auf den Tisch legte, begann der Alte, leise vor sich hinzukichern, während Samuel Ulfsson immer bleicher wurde und der Zivilist den Eindruck machte, als würden ihm gleich die Ohren abfallen.
    Als Carl endlich fertig war, zündete sich Samuel Ulfsson wie selbstverständlich eine Zigarette an, während er sich den Anschein gab, als versuchte er, mit Strenge und Empörung zu reagieren.
    »Wenn ich das richtig verstanden habe, hat der Nachrichtendienst der Sowjetunion also das Telefon von Expressen abgehört und das Material anschließend an uns weitergegeben«, begann er mit einer selbstverständlichen Feststellung. In diesem Punkt konnte kaum Zweifel herrschen.
    »Ja, das ist richtig«, erwiderte Carl höflich. Er sah in seiner ungewöhnlichen Montur jungenhaft und erstaunlich unschuldig aus.
    »Die Sowjetunion hat direkt vor unseren Augen mit etwas, was man als eine Art Einverständnis unsererseits auffassen könnte, außerordentlich ernste Gesetzesübertretungen begangen. Sie haben das schwedische Grundgesetz übertreten und in technischer Hinsicht Spionage verübt.«
    »Das dürfte nicht stimmen«, wandte der Alte munter ein. »Sie haben ihr kriminelles Material ja an uns übergeben und nicht an Moskau. Wir andererseits haben nur Informationen entgegengenommen. Es steht uns zwar frei, gegen die Sowjetunion Anzeige zu erstatten, aber ich denke, das wäre unklug, ganz abgesehen davon, daß es im Hinblick auf die Umstände ziemlich unhöflich wäre.«
    »Erklär dich näher oder kündige noch einmal«, knurrte Samuel Ulfsson in einem Tonfall, den Carl bei seinem höchsten Chef noch nie vernommen hatte.
    »Mit größtem Vergnügen«, sagte der Alte verbindlich und offensichtlich amüsiert. »So kompliziert ist die Sache gar nicht. Carl hat, das dürfen wir natürlich voraussetzen, deine von uns protokollierten Beschränkungen korrekt an das diplomatische Personal der Sowjetunion weitergegeben. Dabei ging es unter anderem darum, daß die Russen bei uns nicht operativ tätig werden dürfen, und so weiter. Wir haben also nicht zu irgendwelchen Verbrechen angestiftet, ganz im Gegenteil. Sie wiederum haben Verbrechen begangen, für die sie nicht bestraft werden können. Wir haben bei unserer Arbeit das Recht, Informationen entgegenzunehmen, die durch Gesetzesübertretungen gewonnen worden sind. Das steht in unserer Dienstanweisung. Und wir können in vielen Dingen auch Fünfe gerade sein lassen, wenn es begründet erscheint. Und das ist es jetzt.«
    Die anderen im Raum sahen den Alten verblüfft an, und er konnte der Versuchung nicht widerstehen, noch eins draufzusetzen. Vielleicht war es auch sein vollster Ernst, doch das ließ sich an seinem Gesichtsausdruck nicht ablesen.
    »Wenn wir nichts anderes finden, können wir es verfassungsmäßige Notwehr nennen«, sagte er.
    Samuel Ulfsson beschloß schnell, die Konferenz zu beenden, um nicht allzu viele Personen in die sensiblen Entscheidungen hineinzuziehen, die jetzt getroffen werden mußten. Denn ohne Entscheidungen würde es nicht weitergehen. Das in technischer Hinsicht verbrecherische Material stand in adretten schwarzen DIN-A 4-Aktenordnern sowie einem kleinen Kunststoffgestell mit säuberlich numerierten Kassetten auf seinem Schreibtisch. Noch konkreter konnte es kaum werden.
    Er bat den Alten und den Zivilisten, den Raum zu verlassen, nicht unhöflich, aber bestimmt.
    Als sie allein waren, wandte er sich mit einer harten und direkten Frage an Carl.
    »Hat die Operationsabteilung beim SSI irgendwelche Pläne für Aktionen in der nächsten Zeit, gegebenenfalls welche?«
    »Ja«, erwiderte Carl. »Wir wollen uns darauf konzentrieren, die Identität der bislang unbekannten Säpo-Quelle festzustellen.«
    »Ihr dürft bis auf weiteres dieses mitgeschnittene Material nicht

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