Feind des Feindes
derlei?
Der Ministerpräsident hatte die Frage natürlich mit einer verächtlichen Handbewegung abgetan und zugleich darauf hingewiesen, das falle in den Verantwortungsbereich der Polizei und nicht in den der Regierung.
Aber es hatte auf dieser Pressekonferenz lautes Gekicher gegeben. Und es liefen wilde Gerüchte um.
Die Handverlesenen hatten sich den Gerüchten zufolge in erster Linie durch ihre Mitgliedschaft in einem Sado-Maso-Club qualifiziert. Und wenn diese Geschichte in der Presse ausgewalzt würde, ob wahr oder unwahr, würde der Wahlkampf einen katastrophalen Anfang nehmen. Das Ganze war widerlich.
Es gab nur zwei Geschichten, die die heranrollende Schlangengruben-Affäre von den Titelseiten und aus den Schlagzeilen verdrängen konnten.
Einmal natürlich die Spionageaffäre. Zum zweiten ein glücklicher oder auch unglücklicher Ausgang des Geiseldramas im Libanon.
Eine Stunde vor der schrecklichen Pressekonferenz hatte der Ministerpräsident den Oberbefehlshaber zum Vortrag bei sich gehabt. Die Untersuchungen des Militärs deuteten vorerst nicht darauf hin, daß die genannten Offiziere des Generalstabs Spione waren.
Es gab natürlich Anlaß, die in eigener Regie geführten Untersuchungen der Militärs mit gewisser Skepsis zu betrachten, obwohl sie unleugbar unter großen Mühen zu denselben Erkenntnissen gelangt waren, die bei der Regierung schon fertig in der Schublade gelegen hatten. Sie hatten die Koskow-Geschichte minuziös nachgeprüft und nichts gefunden, was zu einer Neubewertung zwingen würde, und überdies hatten sie ihre sogenannte Operation Big Red erneut durchleuchtet und waren zu dem Schluß gekommen, daß diese tatsächlich stattgefunden hatte.
Das letzte wäre fast komisch zu nennen, wenn die Angelegenheit nicht so ernst wäre. Das nenne ich Eulen nach Athen tragen, dachte Sorman.
Die Einsicht, daß es so gut wie unmöglich war, sich ausgerechnet Korvettenkapitän Hamilton als russischen Agenten vorzustellen, hatte die Regierung aus eigener Kraft gewonnen.
Und was diesen Obersten anging, hatte man in den Angaben TRISTANS entscheidende Fehler gefunden. In den Unterlagen der UNO fand sich ein mehr als zehn Jahre alter Kontoauszug, aus dem hervorging, daß der Offizier eine Reparaturrechnung aus eigenen Mitteln und folglich nicht mit sowjetischem Spionagelohn bezahlt hatte. Doch bei diesem Obersten war es wohl noch zu früh, endgültige Schlüsse zu ziehen.
Bei der Säpo sah es anders aus. Der Polizeidirektor des »Russenbüros« hatte gestanden, und es war auch Beweismaterial gefunden worden. Insoweit war alles geklärt, und dieses eine Mal wenigstens würde sich die Säpo hoffentlich als fähig erweisen, ihre Geheimnisse nicht in der Abendpresse auszuplaudern. Diese Geschichte konnte nur ihr selbst und nicht der Regierung schaden.
Allerdings wurde die Lage dadurch kompliziert, daß sie mit ihrem Spion wegen Immunität verhandelten. Er hatte sich selbst zur Zusammenarbeit bereit erklärt, wenn man ihm Immunität gewähre, und andere Hinweise, denen sie folgen konnten, besaßen sie kaum.
Der Reichspolizeichef hatte den Ministerpräsidenten gebeten, innerhalb einer Woche zu entscheiden, und damit war auch diese Geschichte politisch gefährlich. In rein praktischer Hinsicht wäre es natürlich gut, wenn man diesem Kerl so viele Informationen über seine Spionage wie nur möglich entlocken konnte.
Wenn aber später herauskam, daß die Regierung einen Spion »begnadigt« und einen Spionageskandal »vertuscht« hatte?
Was auf Peter Sormans Tisch lag, war in erster Linie die Libanon-Affäre. Die Lage war kritisch.
Die Entführer hatten für jeden Schweden eine Million Dollar verlangt und eine Frist gesetzt. Einerseits gab es das Problem mit der Einstellung, man werde »nie mit Terroristen verhandeln«, wenn man es aber doch tat und dies herauskam, würde es in der rechtsgerichteten Presse Kritik und Geschrei geben.
Was der Regierung im Grunde nur nutzen konnte: Statt sich an richtige, aber harte Grundsätze zu halten, habe man es vorgezogen, Menschenleben zu retten. Und so weiter.
Wenn aber die Entführer mit neuen Forderungen kamen und das Geld einfach nur nahmen und verschwanden? Und die Geiseln trotzdem töteten?
Eine halbe Stunde später war die Rechnung erheblich vereinfacht und zugleich verdüstert worden. Jassir Arafat rief aus Tunis an und versicherte seinem »alten Freund« Sorman, die Entführer hätten nichts mit der PLO zu schaffen, würden aber ohne Zweifel ihre
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